Eine flexible Frau von Tatjana Turanskyj

Mein Taxifahrer ist genervt. Nicht nur von der hupenden und hetzenden Meute hinter ihm. Ihn nervt vor allem, dass er als ausgebildeter Ingenieur Taxifahren muss. Er hat dies schon zu Studienzeiten gemacht, doch inzwischen ist das etwas anderes. Seine Erwartungen und auch die Erwartungen der Gesellschaft an sein Leben haben sich geändert. Oft ist es nicht die Situation an sich, die sie unerträglich macht, sondern die Fallhöhe, aus der man in sie gelangt. Das verbindet meinen Taxifahrer mit Greta aus Tatjana Turanskyjs Debütfilm Eine flexible Frau.

Greta ist Architektin. Seit ihr Architektenbüro alle Freelancer entlassen hat, kann sie ihren Job nicht mehr ausüben. In ihrer haltlosen Situation sucht sie nach neuen Anschlüssen, die existenziell aber auch als Person, die sie geworden ist, ein Weiterleben möglich machen. Sie sucht diese „Interfaces“ in einem Callcenter, bei ihren Freunden, bei ihrem Sohn Lukas und im Alkohol. Bis auf den Alkohol enden die Verbindungsversuche immer mit einem Error. Im Callcenter beherrscht sie nicht die Kommunikation als Kunstwerk", ihre Freunde vertanzen ihre eigenen unerfüllten Wünsche und ihr Sohn will nichts mit Loosern zu tun haben. Greta leistet (bis auf eine Ausnahme) keinen offenen Widerstand. Sie ist keine Rebellin. Aber sie hat eine klare Sicht ihrer Lage und will sich beim Überleben nicht deformieren. Durch die Dissonanz entsteht ein Taumeln, mit dem der Film anfängt und mit dem er abschließt.

Tatjana Turanskyj hat starke Wurzeln im Theater und Performance Bereich. Das ist in ihrem ersten Film deutlich spürbar. Er fühlt sich an, wie ein Theaterexperiment mit filmischen Mitteln. Die Figuren sind z.T. stark überzeichnet und sprechen in gesellschaftlichen Schablonentexten. Die Aneinanderreihung der Szenen folgen nicht klassischen Erzähltechniken, fügen sich aber in der Gesamtschau zu einer Geschichte.

Turanskyj nennt als Ausgangspunkt für ihren Film Richard Sennets Buch Der flexible Mensch. Dementsprechend scheut sie nicht den politischen Diskurs und integriert immer wieder sozialtheoretische Versatzstücke. Gleichzeitig hat der Film seinen eigenen Humor, z. B. wenn Greta ihre Trinkgenossin vom Kiosk als Sachbearbeiterin beim Arbeitsamt wiedertrifft.

Eine fexible Frau ist eine intelligente, manchmal sperrige und unabhängige Reflexion, die den Freiraum des Mediums Film und der Berlinale Sektion Forum sehr gut nutzt.

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Titel

Orignaltitel

Eine flexible Frau

Englischer Titel

The Drifter

Credits

Regisseur

Tatjana Turanskyj

Schauspieler

Mira Partecke

Angelika Sautter

Laura Tonke

Bastian Trost

Land

Flagge DeutschlandDeutschland

Jahr

2010

Dauer

97 min.

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