Hof 2009: "1000 Meilen von Taschkent" von Katharina Wyss

"Guck mal, da der Fernsehturm", "Ah, mal wieder die Boheme an der Kastanienallee", "Unser Kotti!" - Berlin Filme. Wir sind begeistert, wenn wir alles wiedererkennen.

Manchmal ist aber etwas noch stärker, wenn man es nicht zeigt. Das beweist „1000 Meilen von Taschkent“. Der Seminarfilm, den Katharina Wyss an der DFFB gedreht hat, ist zu hundert Prozent ein Berlin Film, ohne dass er sich der typischen Berlinsymbole bedienen müsste. Es ist die Kulisse von Bahnhöfen und Straßen ohne Namen und auch der Berlin-Existenzialismus der Hauptfiguren, die ein Berlin sichtbar machen, wo Vision, Hoffnung und Wahnsinn sich so nahe sind wie sonst nirgendwo in Deutschland.

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Nastassja (Janina Rudenska) und Dimitri (Thomas Papst), sind ein junge verliebtes Paar. Sie leben in einer abrockten Altbau-Wohnung irgendwo in einem Berliner Randbezirk. Nastassja arbeitet nachts auf einem Blumengroßmarkt und versucht tagsüber durch Vorsprechen in ihrem eigentlichen Beruf als Schauspielerin eine Rolle zu bekommen. Dimitri ist der Typ von verkannten Punk-Rockstar, den wir in den U-Bahngängen schon von weiten hören, wie er wütend seine Gitarre bearbeitet. Wer sein Talent nicht anerkennt, ist für ihn ein Arschloch.

Nastassja und Dimitri sind russische Inländer. Sie sprechen fließend Deutsch aber miteinander russisch. Sie sind das perfekte Bild für Berlin als Stadt der Deutschland-Exilanten, die nicht nach DIN Vorschrift leben wollen.

„1000 Meilen von Taschkent“ hat nicht nur die Normverweigerung mit seinen Protagonisten gemeinsam. Wie Nastassja und Dimitri ist der Film ein Rohdiamant. Er braucht den Schmutz der Stadt, den Streit und die Verzweiflung, um die Schönheit, die sich darunter als Liebe und Hoffnung verbirgt, erahnen zu lassen.

Der Schlüssel zur rauen Unvermitteltheit des Films liegt in dem Ansatz von Weiss. Sie hat Janina Rudenska und Thomas Papst keine Dialoge sondern Situationen vorgegeben, um die herum improvisieren konnten. Das tun sie mit Hingabe.

Einer der stärksten Momente im Film ist, als ein Mann, der offensichtlich diverse narkotisierende Substanzen zu sich genommen hat, anscheinend ungeplant in eine Szene torkelt und unverständlich vor sich hin flucht. Dimitri schaut ihm hinterher: "Die Stadt ist voller Irre. Man hat Angst, das man selbst einer von ihnen ist." Ein Gefühl, das viele Berliner unterschreiben könnten.

Kommentare ( 4 )

den letzten satz unterschreib ich sofort!

Eben auf arte gesehen, traurig-bedrückender aber auch Hoffnung schenkender Film.

Thomas das war Großartig, der Film.
Glückwunsch.

The movie itself is good. The actors play well. The song by V. Vysotsky at the end is implemented very nice characterizing exactly essence of the story. However, a lot of not acceptable vulgar slang should deteriorate the impression (of Russian-listener) substantially. German subtitles are hardly adequate in translation of those inserts. What is then a sense of using marginal expressions in large quantities? Don’t also forget guitar artist is typically above the very bottom, he is not a criminal gay to be shown especially negative. Unfortunately it became quite frequent that Russian-speaking 'plain folk' has acquired (in 'real' movies) that repulsive a feature. I cannot believe it helps of realistic impression but rather highlights somebody's mind.

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Titel

Orignaltitel

1000 Meilen von Taschkent

Englischer Titel

1000 Miles From Tashkent

Credits

Regisseur

Katharina Wyss

Schauspieler

Thomas Papst

Janina Rudenska

Land

Flagge DeutschlandDeutschland

Jahr

2009

Dauer

51 min.

Impressum