"The Yes Men Fix the World" von Andy Bichlbaum, Mike Bonanno und Kurt Engfehr

"Yes Men" gewinnen den Panorama-Publikumspreis

Die „Yes Men“ wollen die Welt retten – mit Kapitalismuskritik. Zu diesem Zweck führen Andy Bichlbaum und Mike Bonanno nach ihrem Film aus dem Jahr 2003 in „The Yes Men Fix the World“ zum zweiten Mal Manager, Regierungsvertreter, Wirtschaftsexperten und die Medien vor, indem sie sie einfach nachahmen. Dabei zeigt sich: wenn die Kamera angeht, reden Experten mit jedem; wenn die Powerpoint-Präsentation hochfährt, fahren Managergehirne runter und die Medien (BBC, CNN, diverse Nachrichtenagenturen) glauben und berichten eigentlich alles.

Um vom subversiven Dokufilmer zum Topmanager zu werden, brauchen Bichlbaum und Bonnano nur das Internet, ein Telefon, Haargel und einen Businessanzug. Das Prunkstück des Films ist eine Episode, in der Bichlbaum es 2004 schafft, als Sprecher von Dow Chemicals im Fernsehsender des BBC Worldservice vor 300 Millionen Menschen aufzutreten und wortreich zu verkünden, dass die Firma die Opfer des Chemieunfalls in einer Pestizid-Fabrik im indischen Bhopal von 1984 mit 12 Milliarden US-Dollar entschädigen werde.

Dow hatte das Verursacherunternehmen Union Carbide 1999 übernommen. Union Carbide und später der neue Mutterkonzern hatten es immer abgelehnt, die Angehörigen der rund 8.000 Opfer angemessen zu entschädigen, die unmittelbar bei der Katastrophe oder kurz danach starben. Durch gravierende Spätfolgen stieg die Todeszahl auf geschätzte 15.000 Menschen. Die Familien der Toten erhielten durchschnittlich 2.200 US-Dollar. Für Entgiftungs- und Sanierungsarbeiten in der Region und als einmalige Zahlung an mehr als 500.000 Verletzte zahlte Union Carbide 470 Millionen US-Dollar. Noch heute leiden die Menschen unter den Spätfolgen wie Unfruchtbarkeit und eine hohe Prozentzahl von Behinderungen bei Neugeborenen durch Schädigung des Erbguts. Noch heute wird die Gesundheit der Einwohner durch verseuchten Boden und kontaminiertes Trinkwasser geschädigt.

Die beiden Aktivisten erreichten ihren Mediencoup mit erstaunlich geringem Einsatz. Sie richteten 2002 die Website dowethics.com ein, die aussah wie eine ganz offizielle Dow Chemicals-Seite. Dann warteten sie. 2004 interessierte sich die BBC für die Initiative und gab Bichlbaum die Chance für seinen großen Auftritt als Dow-Spokesman Jude Finisterra vor einem Millionenpublikum. Da Medien funktionieren wie sie funktionieren, ging die Nachricht des Einlenkens von Dow in Minuten um die ganze Welt - über die Agenturen und andere Rundfunk- und Fernsehsender. Dow Chemicals neue Bußfertigkeit war die Topmeldung in allen Web-Newsforen. Die Falschmeldung flog erst nach zwei Stunden auf, als die Zentrale von Dow Chemical energisch zu dementieren begann.

Der Film zeigt diese Medienaktion und noch weitere weitaus bizarrere. Darüber hinaus wenden sie sich die Regisseure gegen die wirtschaftsliberale, regulierungsfeindliche Schule von Milton Friedman. Sie führen Experten vor, die allem was mit Regierungseingriffen zu tun hat, den Kampf ansagen. Als Friedman-Schüler sind Vertreter von Think Tanks wie dem American Enterprise Institute allerdings nicht nur lächerlich eitel sondern auch ideologisch jämmerlich. Sie sind weniger an einem freien Markt interessiert, als an der Manipulation desselben im Interesse der Großkonzerne, von denen sie finanziert werden. Friedman selbst war zumindest ein Radikalliberaler, der sich nicht nur gegen eine wirtschaftliche Rolle des Staates, sondern auch gegen die Wehrpflicht, die Kriminalisierung von Drogen und Eingriffen in die Privatsphäre aussprach.

„The Yes Men Fix the World“ zeigt eine Methode des politischen Aktivismus, die allemal intelligenter, ehrlicher und vor allem komischer ist als das, was zum Beispiel Michael Moore produziert. Der Zusammenbruch der Finanzmärkte spielt nur als kurze aktuelle Meldung eine winzige Nebenrolle in dem Film. Es wäre spannend zu sehen, wie die marktradikalen Experten heute mit ihrem Credo „Der Markt wird es richten“ umgehen. Es ist das beeindruckendste an dem Film, wie er in kurzer Zeit zu einem Anachronismus geworden ist. Auf einmal ist die Forderung nach Regulierung nicht nur das Anliegen zweier kleiner Politaktivisten. So sind Andy Bichlbaum und Mike Bonanno von auf einmal Teil des politischen Mainstreams. Es ist ein gutes Zeichen, dass Menschen nicht mehr als Radikale abqualifiziert werden können, die eigentlich nichts weiter tun, als ihre Empörung über unethisches Unternehmenshandeln und inkompetente Wirtschaftspolitik in subversives Engagement umzusetzen.

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Titel

Orignaltitel

The Yes Men Fix The World

Credits

Regisseur

Andy Bichlbaum

Mike Bonanno

Kurt Engfehr

Drehbuch

Musik

Neel Murgai

Land

Flagge Vereinigte StaatenVereinigte Staaten

Jahr

2009

Dauer

90 min.

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