"Little Soldier" von Annette K. Olesen

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Mit den posttraumatischen Störungen von Soldaten sind wir inzwischen einigermaßen vertraut. Neu und ungewohnt ist es hingegen, einer ehemaligen Soldatin dabei zuzusehen, wie sie sich damit abmüht ins zivile Leben zurückzufinden. Der dänische Wettbewerbsbeitrag „Little Soldier“ tut genau dies. Die Ex-Soldatin Lotte stolpert darin mit einem geradezu greifbaren psychischen Schutzpanzer durch den Film. Ihre erste zivile Mission: eine nigerianische Prostituierte zu retten. Dumm nur, dass die sich aber gar nicht retten lassen möchte.

Mit dem ersten Kamerabild zerlegt die Regisseurin Annette K. Olesen brutal jegliche Klischees, die wir von einem gemütlichen Dänemark haben könnten. Es ist der Blick in die Wohnung der Ex-Soldatin Lotte – letzte Spuren von Ikea-Kuscheligkeit lassen sich kaum noch erahnen. Alles ist total vermüllt und verdreckt, Lotte selbst vegetiert zwischen halb leeren Wodkaflaschen und klebrigen Pizzakartons im Dämmerzustand vor dem Fernseher. Erst als ihr Vater vor der Tür steht wird sie unsanft aus ihrer Selbstbetäubung gerissen. Papa schleppt sie ins Restaurant, in eine Karaoke-Bar und verspricht, sich um einen Job für sie zu kümmern. Den ganzen Film über wird Olesen die Beziehung zwischen Vater und Tochter genau unter die Lupe nehmen: die Sehnsucht nach Anerkennung bei der Tochter, die Ignoranz des Vaters zu erkennen, dass er hin und wieder bei der Erziehung tüchtig versagt hat. Die ruppige und distanzierte Art Lottes, man begreift es rasch, ist vor allem eine Abwehrhaltung gegen die pseudocoole „Ich-hab-alles-im-Griff“-Masche des Vaters.

Graue Straßen, grauer Himmel, Regen und Schnee: das Ambiente passt zur Grundstimmung. Erst eine dritte Person bringt Bewegung in die erstarrten Figuren. Die nigerianische Prostituierte Lilly arbeitet für Lottes Vater und ist zugleich seine Geliebte. Zuhause hat sie eine kleine Tochter, für das in Europa verdiente Geld gedacht ist. Weil Lottes Vater gerade den Führerschein verloren hat, muss Lotte Lilly zu den Kunden fahren. Die ersten Begegnungen zwischen den beiden Frauen verlaufen ziemlich schroff; erst allmählich kommen sie sich näher.

Das sind dann aber auch die schönsten Szenen im Film: wenn die beiden Frauen, die auf zwei unterschiedlichen Sternen aufgewachsen sein könnten, nach und nach ein Gespür füreinander bekommen. Gemeinsam albern sind, über ihre Ängste sprechen, sich gegenseitig trösten. Doch dann meint Lotte, sie müsse Lilly unbedingt aus dem Leben als Prostituierte befreien und plant Lillys Flucht. Sehr schön zeigt Olesen, wie sehr Lotte nur aus ihrer eigenen Sicht auf die Dinge handelt - und dass der vermeintliche Rettungsversuch letztlich viel mehr mit ihren eigenen Traumata zu tun hat, als mit Lillys Person.

Wie schon in „Minor Mishaps“, der vor einigen Jahren auf der Berlinale im Wettbewerb lief, beweist die dänische Regisseurin ein sehr gutes Gespür für die Ecken und Kanten in scheinbar so uninteressanten Leben. Sehr genau schaut sie bei ihren Figuren hin und vermittelt ohne großes Tamtam verblüffende Einblicke in die menschliche Natur. Allerdings nimmt die Geschichte letztlich aber doch eine allzu klischierte Wendung, und auch die filmische Umsetzung ist leider nicht besonders interessant. Sehr beeindruckend dagegen die schauspielerischen Leistungen von Trine Dyrholm, die das Verletzliche unter Lottes rauer Fassade so gekonnt aufblitzen lässt, und von Lorna Brown, die Lillys Figur einen facettenreichen Subtext mit auf den Weg gibt. Gutes Kino also, aber kein großes.

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Titel

Orignaltitel

Lille Soldat

Deutscher Titel

Kleiner Soldat

Englischer Titel

Little Soldier

Credits

Regisseur

Annette K. Olesen Dänemark

Schauspieler

Rasmus Botoft

Lorna Brown

Trine Dyrholm

Finn Nielsen

Jens Jørgen Spottag

Land

Flagge DänemarkDänemark

Jahr

2008

Dauer

100 min.