Überhaupt zeigte sich der Berlinale Chef kämpferisch und sehr engagiert, wenn er von Filmen berichtete, die versuchen, es mit den Übeln dieser Welt, sei es im Bereich Nahrungsmittel, Armut, Krieg oder Kapitalverbrechen (im Wortsinn) aufzunehmen. Film als Aufklärung und politisches Medium - da merkt man einfach, wo er herkommt der Herr Kosslick. So war er noch immer empört über die Tatsachen, die der Film Food Inc. von Robert Kenner im Rahmen des Kulinarischen Kinos uns auftischen wird: wir werden nicht nur von Finanzjongleuren, sondern auch von Nahrungsmittel-Jongleuren ruiniert.

Im Berlinale Special werden viele deutsche Filme zu finden sein, deren Qualität und Quantität mehrfach erwähnt wurde. Dabei die Filme Effi Briest, John Rabe, Pink und Berlin Ecke Bundesplatz und aus dem Rest der Welt Filme von Paul Schrader, Claude Chabrol (der auch geehrt wird) und der 101 Jahre alte Manoel de Oliveira. Und - darauf freue ich alter Sack mich besonders - der Film It might get loud, eine Doku über die drei Ausnahme Gitarreros Jack White, Jimmy Page und The Edge. Let there be ROCK!

Im Panorama und Panorama Special und Panorama Dokumente gibt es gleich drei Sektionen, deren exzellente Auswahl allein schon für ein Festival reichen würden: die traditionellen Themen Homosexualität weltweit sowie engagierte politische Stoffe aus dem Bereich Globalisierung - wie immer dabei. Michael Winterbottom wird auf Grundlage von Naomi Kleins Buch „Schock Strategie“ ein Work ein Progress Werk zeigen und es gibt eine hochspannend klingende Doku über die YES-Men, eine Art Kapitalismus-Guerilla in Anzügen. Gus van Sant wird mit seinem Film Milk kommen. Ihn verbindet eine lange Geschichte mit der Berlinale. Aber ebenfalls kommen July Delpy, David Carradine, John Hurt und der Meister der Misantrophen Josef Hader - alle mit eigenen Filmen.

Das Forum nähert sich von Super-Independent immer mehr einem Markt an, der nicht Mainstream ist, ganz und gar nicht, aber trotzdem kommerziell erfolgreich: 90% der Filme haben schon einen Verleiher, früher waren es 10% - gut für die Filmemacher. Aber eine Krise des Mainstream ist eben immer eine Chance für die Ränder, in diesem Fall das internationale Independent Kino, wie es mit über 25 Weltpremieren im Forum zu finden ist.
Die Untersektion Forum Expanded geht in diesem Jahr zum vierten Mal weit hinein in die Performance und Videokunst, lässt den kunstinteressierten Filmgucker mit einer Bustour an verschiedenen Orten Kunst im Film und Film mit Kunst entdecken so z.B. von Bill Viola, Dan Graham, Katharina Sieverding und dem Experimentalfilm-Pionier Michael Snow.

Die Retrospektive lädt ein zu Wiederentdeckung, was Kino bedeutet: In seiner 70mm Reihe, die passenderweise im International laufen wird. Dort bekommen wir Klassiker wie Ben Hur, Cleopatra, 2001, Lawrence von Arabien mal wirklich richtig zu sehen. Dazu Perlen der Filmgeschichte wie Jacques Tatis Playtime, Patton von Franklin Schaffner und Goya von Konrad Wolf. Außerdem der erste bundesdeutsche 70mm Film, die Dokumentation Flying Clipper von Hermann Leitner sowie die sovjetischen Produktionen Krieg und Frieden, Tagessterne und Flammende Jahre - alle aus den 60er Jahren.

Ach und das Generation+ gibt es ja auch noch, nicht nur für Jugendliche. Und nicht zu vergessen die Sonderreihe Winter Ade - Filmische Vorboten der Wende mit Filmen aus den 80er Jahren. Und dann noch…. - Nein, das soll genügen!

Also ist auf der Berlinale wirklich wieder alles geboten: Von Super-Hollywood mit Pink Panther 2 bis zum kleinen, illegalen Film aus dem Iran, Schmonzette bis Politdrama, Kurz- Mittel- und Langfilm, Lach und Wein, Wut und Wollust. Und in diesem ganzen überbordenden Programm aus 386 Filmen will der festivalblog versuchen zu navigieren.
So rufe ich (ein wenig vom Geiste Obamas und Kosslicks ergriffen): Kameraden, Companeros, sammelt sie, schreibt sie, die Diamanten und Strasssteinchen aus dem Dunkel des Kinosaal und lasst das Gute siegen, indem ihr es der Welt bekannt macht. Glück auf!