Berlinale Jury 2009 KOMPLETT: Illustre Runde...

Den Vorsitz hat bekanntermaßen die schottische Aristokratin Tilda Swinton, die, wenn man der Regenbogepresse glaubt, gerade eine Menage a Trois auf ihrem Schloss lebt und der auch was das künstlerische angeht etwas außergewönliches gelang: beginnend mit Derek Jarman Independentfilmen bis hin zu Burn after Reading der Brüder Coen letztes Jahr hat sie bei Anspruchsvollem, bei Tiefsinn und Spaß, schwierigen Stoffen und Unterhaltung immer überzeugt.

Eine Überraschung und Freude dürfte die Nominierung von Christoph Schlingensief sein, der filmisch zwar eher durch wilden Trash wie das Deutsche Kettensägen Massaker (1990) und einen grandiosen Hitlerfilm aufgefallen ist - dagegen aber das Theater in Deutschland mit wild assoziativen, hochpolitischen, schrägen, schmerzhaften und verstörenden Stoffen, Inszenierungen irgendwo zwischen darstellender Kunst, Installation und Theater beglückte. (Ein sehr bitteres Gespräch über Kunst und Leben hier)

Schlingensief hat sich immer wieder mit Afrika beschäftigt und dort Kunst gemacht und gesucht. Sein Jury Kollege Henning Mankell lebt auch in Afrika, hat Bücher über den Kontinent und seine Kulturen geschrieben. Mankell ist also kein ausgesprochener Film-Mann, sondern vor allem Krimiautor. Was ja nichts heißen muss. Von Dramaturgie und Bildern versteht er jedenfalls eine Menge.

trashhk1.jpg

Die diesjährige Runde ist kein Schrott, aber eine Suppe aus Klasse, Filmferne, Trash, Afrika und Geschmack

Filme macht dagegen Isabel Coixet, die selbst bereits vier mal als Filmemacherin zur Berlinale eingeladen wurde. Im letzten Jahr mit dem mäßigen Film Elegy. Ihr Film aus dem Jahr 2003 Mein Leben ohne mich war dagegen ein wirklich harter, toller Film über Krebs und die Frage, wie man den definitiven Rest seines Lebens verbringen soll.

Ebenfalls Filmemacher ist Wayne Wang. Allerdings waren seine meisten Streifen nicht so richtig erfolgreich. Am bekanntesten dürfte Smoke sein, basierend auf einem Drehbuch von Paul Auster, mit dem er 1995 auch einen Silbernen Bären erhielt. Ansonsten setzte Wang sich einige Male mit dem Leben der chinesischen Einwanderer in den USA auseinander, aber machte zuletzt auch sowas wie Manhattan Love Story (2002) mit Jennifer Lopez.

Und nochmal Afrika wird vertreten durch Gaston Kaboré, Drehbuchautor, Regisseur und Produzent aus Burkina Faso, dessen Film Wend Kuuni 1982 ein Durchbruch für das afrikanische Kino gewesen sein soll. Die ganz eigene Filmsprache und gleichzeitige Filmverrücktheit in vielen afrikanischen Ländern wird ihm als Juror jedenfalls sicher nicht unbeeinflusst lassen - hoffe ich.

Zuständig für Geschmacksfragen (haha - Kalauer) dürfte die Starköchin und Autorin Alice Waters aus den USA sein. Kosslick, der seit drei Jahren die Reihe Kulinarisches Kino auf der Berlinale etabliert hat, will jetzt die Kochkunst auch ÜBER Film entscheiden lassen.
Alice Waters Verbindungen zum Film sind allerdings, nun ja, wenig auffällig: Sie war mal mit einem Filmemacher verheiratet, hat in einem Film über Werner Herzog mitgespielt. Dass sie im Pacific Film Archive in Berkley arbeiten soll, wie von der Berlinale Pressestelle behauptet, kann eine Recherche nicht bestätigen.

Ist aber auch egal: eine Jury ist ein Jury ist eine Jury und entscheidet, wie es ihr gefällt. Soll sie auch. Diese hier wird in jedem Fall für Überraschungen gut sein.

Kommentare ( 3 )

Tolle Jury, Tolle Jurybesprechung! Wieder viele spannende Namen im Filmsachverständigenrat. Schade, dass die Jury Diskussionen immer hinter verschlossener Tür stattfinden.

Wayne Wang hat übrigens 2007 mit "A Thousand Years of Good Prayers" einen sehr schönen Film gemacht der in San Sebastian die Goldene Muschel gewonnen hat. Er war dann zwar in den Kinos nicht sehr erfolgreich, aber das Schicksal teilt er sich ja auch mit vielen Berlinale Gewinnern (z.B. 2005 "U-Carmen", 2006 "Grbavica" und 2007 "Tuyas Marriage")

Gegen die Auswahl der Jurymitglieder ist nichts zu sagen, und erst Tila Swinton als Präsidentin verspricht einiges!

Aber einen Schlingensief in die Jury eines A-Filmfestivals zu setzen muss als glatter Missgriff angesehen werden.
Der hatte seine "15 minutes of fame", die sind passe, so wie sein gesamtes Schaffen.

seh ich aber gar nicht so. und schaffen ist von natur aus passe, was bleibt, sind einflüsse. udn da gehört Schlingensief zu den assoziativsten, wildesten und natürlich eigenwilligsten Künstlern in Deutschland. Seine Filme sind Trash, aber sein Theater hat sehr sehr viel beeinflusst, was man heute modernes Theater nennt. und tut dies noch heute. der berlinale kann es nur gut tun. und mit kosslick befreundet ist er ja auch...

Kommentiere den Film oder den Eintrag

Impressum