"50 Jahre Anderground": Filmfest für Carl Andersen in Berlin

Zum Geburtstag: Frauen, Liebe, Sex und das Zwischenmenschliche

Carl Andersen feiert einen doppelten Geburtstag: Der Wiener, der seit 1991 in Berlin lebt und filmt, wird ein halbes Jahrhundert alt und geht seit nunmehr zwanzig Jahren als konsequenter No-Budget-Filmschaffender seinen Lieblingsthemen nach, zu diesen gehören in loser Folge und ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Frauen, Vampirismus, Liebe, Gewalt, Sex und das Zwischenmenschliche. (Ein Interview mit Carl Andersen) Mit dem Geburtstagskind feiern das Kino in der Brotfabrik und die Tilsiter Lichtspiele50 Jahre Anderground“. Von Donnerstag 17. Juli bis zum 30. Juli zeigen beide Kinos an jedem Abend um 22 Uhr einen Film von Carl Andersen. Außerdem läuft zum Abschluss am 29. und 30. Juli in der Brotfabrik Lothar Lamberts Dokumentarfilm „Küss die Kamera“ über Carl Andersen und Erwin Leder, Darsteller in Andersens „Vom Luxus der Liebe“ und „Chien Fuck“.

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Beziehungen können nicht nur für Frauen eine Qual sein. Regisseur und Darsteller Carl Andersen in seinem Film "Vom Luxus der Liebe".

Wer sich an „50 Jahre Anderground“ heranwagt, wird feststellen, dass die Filmwelt, die Carl Andersen geschaffen hat, eine seltsame, oft irritierende aber in jedem Fall eine interessante ist. Kein Zuschauer sollte in die Sexfalle tappen. Sicher spielt Sex für Andersen eine wichtige Rolle (für wen nicht)? Die häufigen Sexszenen in seinen Filmen sind drastisch verfremdet oder gnadenlos realistisch, der Zuschauer weiß oft nicht, welche Variante ihn mehr verstört. Aber Andersen stellt immer die Fragen nach der Emotion dahinter. Liebe=Sex? Liebe≠Sex? Liebe mit Sex? Liebe ohne Sex? Ist Liebe möglich? Andersens fragt nach den Bedingungen für eine funktionierende Beziehung (Was sind das bloß für Menschen die Beziehungen haben, betrachten die sich denn als Staaten?) Er zeigt das Machtgefälle in Beziehungen mit unterschiedlichen filmischen Mitteln und aus unterschiedlichen Perspektiven. Das macht er sehr intelligent. Seine besten Filme sind die, in denen die Grenzen zwischen Realität, Fiktion und Dokumentation verschwimmen. Der Zuschauer ist dann mitten im Beziehungsgeflecht zwischen den Figuren und fragt sich: Was ist echt? Dieser Spannung kann man sich nicht entziehen.

„50 Jahre Anderground“ spannt den Bogen vom Filmdebut „Vampyros Sexos“ bis zu „Chien Fuck“. Es gibt viel Seltsames, Verwirrendes und Unterhaltsames aus dem Andersen-Kosmos zu entdecken. Außerdem bleibt die Hoffnung, dass dieses Festival dazu beiträgt, aus dem spannenden Rohschnitt von „Obsession: 25 Bilder pro Sekunde“ einen fertigen Andersen-Film werden zu lassen.

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