"Winter Soldier" von Wintersoldier Collective

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"They fuck with your mind"

“Winter Soldier” ist ein Film über den Krieg und darüber, was ein Krieg aus Soldaten macht. Herzstück des Films sind Mitschnitte der sogenannten Winter Soldier Hearings, die die Vietnam Veterans against the War vom 31. Januar bis 2. Februar 1971 in Detroit veranstalteten. 109 Vietnamveteranen schilderten bei den Hearings detailliert Kriegs- und Menschenrechtsverletzungen von U.S.-Truppen in Vietnam und bezichtigten sich dabei auch selbst. Das Regisseurkollektiv vertraute bei seinem Film zu weiten Teilen auf das gesprochene Wort und ergänzt die Aussagen sparsam durch Dokumentaraufnahmen der Kämpfe in Vietnam.

Die Aussagen der ehemaligen Soldaten sind in ihrem grausamen Detailreichtum oft schwer zu ertragen. An den Gesichtern der Männer am Mikrophon kann man ablesen, welche Emotionen die geschilderten Ereignisse bei ihnen auslösen. Schnell wird klar, dass die Dehumanisierung des Feindes der Schlüssel für den grausamen Umgang mit Zivilisten und Soldaten war. Ein Veteran sagt, dass das ein Hauptpunkt in der Ausbildung der Marines gewesen sein. Die Botschaft: Vietnamesen sind keine Menschen. Am letzten Tag der Ausbildung sei folgendes passiert: Ein Ausbilder habe ein junges Kaninchen mitgebracht und mit ihm gespielt und es gestreichelt. Dann habe er ihm plötzlich den Bauch aufgeschlitzt, die Eingeweide herausgerissen und diese unter die jungen Soldaten geworfen. „They fuck with your mind“, fasst er leise mit leerem Blick zusammen.

Berichtet wird darüber, wie Gefangene fast routinemäßig in der Luft Transporthubschraubern geworfen wurden. Diese Praxis sei nie angeordnet aber geduldet worden. Dazu gab es die Anweisung die Gefangenen nie vor dem Abflug, sondern immer erst nach der Landung zu zählen, da man sonst nie wisse, ob die Zahlen übereinstimmen. Im Guerillakrieg wurde jeder Vietnamese zum Feind. Jeder tote Vietnamese wurde automatisch zum Vietcong erklärt, so dass die Unterscheidung zwischen getöteten feindlichen Soldaten und Zivilisten zur reinen Fiktion wurden.

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Der Film legt offen, wie demoralisiert die Veteranen bereits im Einsatz waren. In dem schwierigen Gelände waren besonders die Infanterie oft desorientiert und ständigen Angriffen aus dem Hinterhalt ausgesetzt, die Kommunikation funktionierte nicht, es gab zahllose sinnlose Einsätze für nutzlose Geländegewinne. Also vertrauten die U.S.-Truppen auf ihre überlegene Luftwaffe. Die Aufnahmen der Kämpfe zeigen die Flächenbombardements und vor allem die Angriffe aus den helicopter gunships, mit ihrer Raketen- und Granatwerferbewaffnung und mehreren bemannten Maschinengewehren. Gerade mit den Maschinengewehren wurden auch Flüchtende aus der Luft beschossen. Die Soldaten am Boden rückten nach. Ihre Aufgabe bestand darin, versteckte Guerillakämpfer aufzuspüren und Dörfer niederzubrennen, um den Vietcong-Truppen Unterschlupf- und Verpflegungsmöglichkeiten zu nehmen.

Die Teilnehmer der Hearings schildern, wie dabei auch Alte, Frauen und Kinder Opfer wurden, ungeschützte Dörfer aus der Luft angegriffen und Verletzte getötet wurden. Schließlich kam es zu einem Wettkampf der Truppenteile, möglichst viele vermeintliche Vietcong zu töten. Zum Beweis schnitten Soldaten den Leichen ein Ohr ab. „I turned into an animal. I don’t want to be an animal anymore”, sagt einer. Darum geht es bei den Anhörungen. Die Veterans Against the War haben nur ein Ziel: Der Krieg soll beendet werden. Deswegen wollen sie die Öffentlichkeit informieren, um den öffentlichen Druck auf die Mitglieder des U.S.-Congress zu erhöhen. Die Winter Soldier Hearings mit dem Mut auch über eigene Verfehlungen zu sprechen, waren ein erster Schritt zu den Anhörungen vor dem U.S.-Senat im April 1971. Der frühzeitige Rückzug der Truppen blieb eine Hoffnung, Am 30. April 1975 fiel Saigon. Erst die militärische Niederlage beendete den Krieg.

„Winter Soldier“ verkündet seine Botschaft gegen den Krieg mit einem Minimum an Inszenierung und ist gerade deshalb so effektiv. Es zählt das gesprochene Wort. Er ist als Beitrag der exzellenten Reihe „War at Home“ in der Sektion Berlinale Special ein wirkungsvolles Gegengift gegen die optisch aufgeblasene, misslungene Pseudodokumentation „Standard Operating Procedure“.

Kommentare ( 1 )

hört sich nach einen sehr gelungenen film an...um so weniger von dem grauen des krieges selbst gezeigt wird, sondern nur was er mit den menschen macht,um so stärker wird die unsinnigkeit deutlich.

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Titel

Orignaltitel

Winter Soldier

Englischer Titel

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Credits

Regisseur

Winterfilm Collective

Land

Flagge Vereinigte StaatenVereinigte Staaten

Jahr

1972

Impressum