"My Brother's Wedding" von Charles Burnett

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Rastlos zwischen zwei Welten

Ein junger Mann driftet durch den Tag – Pierce hilft in der kleinen Reinigung seiner Eltern in Watts in L.A. mit, ab und an kümmert er sich um seine alten Onkel und Tanten, zwischendurch balgt er sich wie ein Schuljunge mit seinem Vater, und manchmal bekommt er auch Besuch von einer flotten jungen Dame, die erst ihren Ehering abstreift, bevor sie den Laden betritt. Während dessen ist seine Familie ganz mit den Hochzeitsvorbereitungen für den älteren Bruder beschäftigt – doch Pierce kann die vornehme Mittelklasse-Familie, die hier angeheiratet wird, auf den Tod nicht ausstehen. Als Pierce bester Freund Soldier aus dem Knast entlassen wird, eskaliert der Konflikt zwischen den Welten, in denen sich Pierce bewegt.

Im vergangenen Jahr war der afroamerikanische Regisseur mit seinem 1977 gedrehten Film „Killer of Sheep“ im Forum, jetzt läuft hier der Direchtor’s Cut von „My Brother’s Wedding“ aus dem Jahr 1983.

Der Film erzählt seine Geschichte recht unaufgeregt, wir sind nahe dran an den Figuren, und schauen wie durch ein Fenster auf Leben, in denen seltsame, fremde Gesetze gelten. Fast jeder, so scheint es, hat in diesem Film eine Knarre. Angefangen von den alten Onkeln und Tanten, über Pierce Mutter, die sich so vor Überfällen schützt, bis hin zu den Nachbarn, die sofort mit der Pistole in der Hand im Vorgarten erscheinen, wenn Pierce und Soldier beim Raufen über den Gartenzaun fallen. Die unterschwellige Gewalt ist allgegenwärtig – und doch geht es in dem Film viel mehr um die menschlichen Beziehungen in dieser rauen Gegend.

Es ist anrührend, wie sich Peirce für Soldier die Hacken abläuft, um ihm einen Job zu besorgen – aber Soldier hat leider keinen besonders guten Ruf in der Gegend, und so bleiben Pierce Bemühungen ohne Erfolg. Immer wieder schaut er bei den Eltern seines besten Freundes vorbei, um ihnen Mut zu machen – aber wirklich Tröstliches kann er ihnen auch nicht sagen. Mit seinen eigenen Eltern kann er diese Dinge nichts besprechen: Alles steht im Zeichen der bevorstehenden Hochzeit.

Bisweilen wirkt es, als ob eine Schlafkrankheit über dem Viertel liegt. Kunden am Tresen der Reinigung schlafen beim Warten fast ein, der Vater von Soldier liegt permanent auf der Schlafcouch, und Pierce selbst nutzt jede Gelegenheit für ein Nickerchen. Der Eindruck, der sich darüber vermittelt: In Watts sind die Menschen erschöpft vom Leben.

Der Gegensatz zwischen dem Mittelklasse-Leben, nach dem der Rest von Pierces Familie strebt, und der rauen Wirklichkeit eines Ex-Knastis wird symbolisch auf die Spitze getrieben, als Soldier bei einem Autounfall ums Leben kommt und Pierce sich entscheiden muss, ob er an der Beerdigung teilnimmt oder aber an der Hochzeit seines Bruders. Zwischen beiden Welten stehend, beiden verpflichtet, kann er sich nicht entscheiden, und schafft es letztlich weder der einen noch der anderen Seite gerecht zu werden.

Charles urnett hat mit „My Brother’s Wedding“ ein beeindruckendes Stück Sozialgeschichte auf die Leinwand gebracht – mit Figuren, die einen noch eine ganze Weile begleiten werden.

Kommentare ( 1 )

Als Hintergrundmaterial empfehle ich "The get out of the Ghetto Blues" von Gil Scott Heron zu hören. Zu finden auf der Platte: The Revolution will not be televised! Das wär ein passender Soundtrack zu dem Film gewesen...

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Titel

Orignaltitel

My Brother's Wedding

Englischer Titel

Night Before Eyes

Credits

Regisseur

Charles Burnett

Schauspieler

Ronald E. Bell

Jessie Holmes

Gaye Shannon-Burnett

Everette Silas

Land

Flagge DeutschlandDeutschland

Flagge Vereinigte StaatenVereinigte Staaten

Jahr

2007

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