"Die Dinge zwischen uns" von Iris Janssen

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Aufgepasst und mitgedacht!

Geneigte Leserin, geneigter Leser! Zu Beginn eine kleine Denksportaufgabe: Was ist das Wichtigste für einen guten Film? Denken Sie nach. In der Zwischenzeit erzähle ich Ihnen eine kleine Geschichte:

Myriam führt mit ihrem Mann Bernd eine perfekte Ehe. Die beiden leben in einem erzkatholischen Kaff in Nordrheinwestfalen an der holländischen Grenze. Myriam arbeitet in der Gemeindebibliothek, Bernd macht Karriere als junger Bürgermeister. Als Myriam ihrem Mann das vergessene Handy bringen will und ihm im Auto nachfährt, entdeckt sie, dass er über die Grenze und in ein Bordell fährt. Die junge Frau ist am Boden zerstört. Doch es kommt nicht zu einem Wutausbruch. Sie beschließt, Bernd verstehen zu lernen. Da kommt das zufällige Wiedersehen mit der ehemaligen Schulfreundin Sylvia genau richtig. Sylvia hat früher als Prostituierte gearbeitet und verdient ihr Geld jetzt mit Live-Sexshows, die sie mit der Webcam im eigenen Wohnzimmer aufnimmt. So eine Session, eine Art Telefonsex mit Bild, wird zur ersten Begegnung Myriams mit bezahltem Sex. Doch Myriam treibt ihr Studium der käuflichen Geschlechtlichkeit weiter: Sylvia arbeitet in einem Bordell im Industriegebiet an der Bar. Wild entschlossen mehr über die männliche Lust im Rotlichtmilieu zu erfahren, heuert auch Myriam als Bardame an. Das Etablissement ist für weitergehende Studien bestens geeignet: Myriam bedient auch in den Separées und beobachtet wie der Filmzuschauer, der die ganze Szenerie aus ihrer Perspektive sieht, lesbischen Sex, Oralsex usw.

Folgen Sie mir noch? Gut. Nun zündet der Film die nächste Raketenstufe zum Verlassen des uns bekannten Plausibilitätsuniversums:

Die Versuchung ist ein teuflisch' Ding

Myriam geschieht etwas Unerhörtes! Mangels meiner eigenen Fähigkeit dies adäquat in Worte zu fassen, zitiere ich den Pressetext: „Wie in einem Sog entdeckt sie ihre Sexualität ...“. Soll heißen, sie hat ziemlich heftigen Sex mit dem Türsteher des Bordells in seiner versifften Bude. Das kann natürlich nicht ohne Folgen bleiben. Der Flucht aus der bürgerlichen Zweierbeziehung folgt die Seelenpein. Am katholischen Niederrhein entdeckt frau nicht ungestraft ihre Sexualität. Wo kämen wir denn da hin? Folgerichtig steht Myriam auch wenig später mit einer brennenden Kerze in der Kirche und bittet Gott um Hilfe, um ihre Ehe zu retten. Doch die Versuchung ist ein teuflisch’ Ding. Als Myriam wenig später Sex mit einem weiteren Angestellten im Lagerraum des Bordells hat, fliegt sie in hohem Bogen raus.

Sie sind verblüfft, geradezu perplex? Sie fragen sich, wie diese Geschichte als Film funktionieren soll? Herzlichen Glückwunsch! Denksportaufgabe gelöst: Was braucht ein guter Film? Eine glaubwürdige Geschichte.

„Die Dinge zwischen uns“ hat ein ernsthaftes Problem, die jeden Film zum Scheitern bringt: Der Zuschauer glaubt diese Geschichte keine fünf Minuten. Ein Plot mit einer überraschenden Wendung ist eigentlich etwas Gutes und kann einen Film interessant und spannend machen. Das geht aber nur, wenn man einer Figur einen ungewöhnlichen Entschluss auch abnimmt. Wenn Myriam einen radikalen Weg geht, um Defiziten in ihrer Ehe auf die Spur zu kommen, muss der Zuschauer, das auch nachvollziehen können. Doch die Motivation dieser Frau bleibt unklar. Der Wunsch, den eigenen Mann durch ihre absurden Recherchen verstehen zu wollen, sind vielleicht im ersten Moment durch Panik oder Angst vor der Konfrontation zu erklären. Das trägt aber nicht soweit, dass die folgenden Handlungen glaubwürdig werden, in denen Myriam ihr ganzes Leben auf den Kopf stellt. Die Figur wird so der Lächerlichkeit preisgegeben, die die Kinozuschauer aber eher verzweifeln lässt, weil der Film sich offensichtlich ernsthaft mit einem Beziehungsthema beschäftigen und keine Satire sein will. Das Scheitern liegt vor allem darin, dass der Film über „die Dinge zwischen uns“, also zwischen Frau und Mann, nichts Realistisches erzählt. Frau und Mann werden eher denunziert.

Auch die Subplots, die sich Regisseurin und Drehbuchautorin Iris Janssen ausgedacht hat, helfen nicht weiter: Dass die Freundin Sylvia alleinerziehende Mutter ist, die unter der Unvereinbarkeit ihres Jobs und den Bedürfnissen ihres Kindes leidet, hätte interessant sein können, wenn man eine Entwicklung erkennen könnte, die nicht lediglich in einem plötzlichen Entschluss mündet, trotz finanzieller Not den Job hinzuwerfen. Auch der Selbstmord eines gemeinsamen Freundes des Ehepaars bleibt nichts weiter als eine bemühte Wendung, damit Myriam und Bernd wieder eine Gemeinsamkeit entdecken. Die führt schließlich dazu, dass sie am Ende im Industriegebiet unweit des Bordells stehen - eine arg symbolische Bauruine im Hintergrund - und vielleicht anfangen endlich miteinander zu reden.

Eine Idee macht keinen Film

„Die Dinge zwischen uns“ ist der Versuch aus der Idee „eine Frau reagiert anders als erwartet auf die Bordellbesuche ihres Mannes“ einen ganzen Film zu machen. Weil die Charaktere in diesem Film, vor allem die Hauptfigur der Myriam, aber so eindimensional und realitätsfern bleiben, interessieren die Emotionen dieser Charaktere nicht. Das macht einen gelungenen Film über die Beziehungen zwischen Menschen unmöglich.

Kommentare ( 3 )

iiigitt bordell! mein mann holts sich woanders. heul! oder watte mal... geil bordell, das kann ich auch ma versuchen. ey klasse, bumsen macht ja richtig spass. aber sicherheitshalber mal ne kerze anzünden (achtung zuschauer: doppelmoral, promiskuität, heuchlerei).
aua, aua der film klingt ja schrecklich. dritte raketenstufe zum verlassen des erträglichkeitsorbit hat er glaub ich auch gezündet, oder?

far out, man...

Mein freund und ich haben bei dem film mitgespielt

Ich hab auch mitgemacht aber hab schon laaaange.. keine Mail mehr bekommen. (Leider)

MFG Justin im Film Nico ^^

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Titel

Orignaltitel

Die Dinge zwischen uns

Englischer Titel

The Things Between Us

Credits

Regisseur

Iris Janssen

Schauspieler

Christoph Jacobi

Antje Widdra

Daniela Wutte

Land

Flagge DeutschlandDeutschland

Jahr

2008

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