Max Ophüls Festival Kurzfilm: „Über Wasser gehen“ von Ralf Beyerle

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Der erste Film des Max Ophüls Festivals geht da los, wo ich heute Morgen um 5 in die U-Bahn stieg: Eberswalder Str., Berlin Prenzlauer Berg. Und da, zwischen Schummelkneipen und Sushi Shops, entlang der Danziger und davon nach Rechts und Links spielt sich auch das Leben von Jürgen ab: Ein Versager mit viel Optimismus und noch mehr (dämlichen) Ideen, wie man zu Geld kommen kann, der (warum?) von einem Filmteam beim Scheitern begleitet wird.

Der Film „Über Wasser gehen“ kann sich nicht entscheiden. Er will „Mocufiction“ sein (also ein Film der vorgibt dokumentarisch zu sein, wie Stromberg im Fernsehen als prominentes Beispiel) und auch etwas über diese Typen am Prenzlauer Berg, vielleicht sogar ein kleines Portrait der beschworenen "flexiblen" (ein Wort das Jürgen oft benutzt) Arbeitswelt von Heute sein.

Im Programm war nicht erkennbar, ob dies wirklich ein Dokumentarfilm ist. Aber schon in den ersten 30 Sekunden, nach einem gestelzten Dialog und als man Peter Fieseler, der den Jürgen spielt, in einem hellblauen Blouson über sich und das Leben fabulieren hört, weiß man: ist doch ein Spielfilm. Der klingt nach Ruhrpott, oder so wie...ja wie man versucht zu klingen, wenn man der nette Kumpel von nebenan ist. Aber es klingt eben nur so wie.
Und dann folgen Interviewsequenzen mit Jürgen und seinem Umfeld, es gibt auch noch ein wie ich finde unpassendes Voiceover in dem Jürgen über die Arbeitswelt faselt und am Ende, in der letzten Szene, stellt das bis dahin unhör- und sehbare „Filmteam“ auch noch eine Frage. Zu viel. Zu uneinheitlich und unentschieden das alles.
Jürgen, der irgendwo zwischen sympathischen Arschloch und verbimmelten Phantasten changiert, ist nicht stark genug als Figur. Fast alle Figuren, ob seine Freundin, blonde Arzthelferin (natürlich mit Namen Cindy), die mit einem gefakten Berliner Akzent, den sogar Nicht-Berliner als aufgesetzt empfinden dürften, seine Kumpel, die Teilnehmer in dem Ich-AG Seminar (Sacko, Seidenhalstuchtypen) - sie alle bleiben Klischee und eindimensional.

Der Film hat aber auch seine Momente, wenn Jürgen zum Beispiel bei einem Ich-Ag Seminar während des Dummgeschwätz eines Referenten seine Krawatte auf Papier nachmalt oder wenn er in einem alberen Sushikostüm rumrennt und von Erfolg und Perspektiven schwadroniert.
Insgesamt schwankt „Über Wasser gehen“ zu sehr zwischen überzeichneter Groteske und tragischer Verliererstory (mit Humor). Es fehlen ihm wirklich glaubwürdige Figuren und das Konzept den Film als Doku aufzuziehen, funktioniert aus meiner Sicht nicht.
Aber Berlin im Sommer, das spielt der Film, und da freu ich mich jetzt schon drauf.

Kommentare ( 7 )

Na, da fühlt sich wohl jemand in seinem hippen Prenzlauer-Berg-Nest auf den Schlips getreten! Ich fand den Film jedenfalls recht treffend.
Ich komme zwar nicht aus Berlin, bin aber ab und an dort und kann durchaus bekanntes erkennen. Im Übrigen kommt der Film im
Feuilleton der gestrigen FAZ seltsamerweise außerordentlich gut weg.
Eine Anmerkung und eine Fragen hätte ich noch.
Dieses Genre heißt nicht "Mocufiction“, diesen Ausdruck gibt es nämlich gar nicht, sondern Mockumentary. Und die haben in der
Regel nicht vor, so zu tun, als seien sie echte Dokumentarfilme, sondern sie spielen nur mit der dokumentarischen Form.
Und: was um alles in der Welt sind denn bitte "Schummelkneipen"?

Nö, gar nicht auf den Schlips getreten. So Typen gibts zu Hauf. ich fand ihn nur nicht gut dargestellt, das ist das Problem.
Mocumentary. Sehr richtig. Man kommt aber auch durcheinander mit den englischen Fachtermini :-)

Und Schummelkneipen, das sind die, wo schon morgens um halb 9 das Schultheiss Bier fließt und die trotz Rauchverbot noch in 10 Jahren nach kaltem Rauch müffeln werden. Also eigentlich richtig gute Absturzkneipen, wie das Doors in dem Film...

Die Schauspielerin die die Cindy spielt kommt aus Berlin. Ich denke somit müssen wir nicht darüber schreiben ob der "gefakten Berliner Akzent" wirklich so gefakt war...

aus Berlin kommen und Dialekt sprechen, hängt leider in keiner Weise zusammen. ich kenn genug Bayern, und Schwaben, die Hochdeutsch sprechen. Nur das. Man hat ihn oder man hat ihn nicht. Und gut nachmachen können ihn aber nur die wenigsten.

Hab den Film letzten Monat in Marburg gesehen, wo er den ersten Preis auf dem Filmfest gewonnen hat. Ich hatte nicht das Gefühl, dass da ernsthaft versucht werden soll, das als Dokumentarfilm zu verkaufen. Ist halt ein Stilmittel. Mir hat er sehr gur gefallen. Lustiger Film.

Kann mich tot lachen, wie der Herr Westheide, diesen Film kritisiert und man bei jedem 2. Satz merkt, dass er von Film, Dialekten, Humor, und dem Gebrauch von Stilmitteln ziemlich wenig Ahnung hat.
Herr Westheide, Sie wirken genau wie der Jürgen im Film: glauben, zu wissen wo es lang geht aber laufen immer haarscharf dran vorbei.
Vom Berliner Dialekt haben sie ja wohl nicht die geringste Ahnung. Denn selten hört man Schauspieler, die so authentisch berlinern wie die Schauspieler hier im Film. Perfekt und nicht zu dicke. Ich glaube, das ein wenig beurteilen zu können, da ich in Berlin geboren und aufgewachsen bin und mit ein paar Unterbrechungen nun schon seit über 40 Jahren in der Stadt wohne. Und wenn Sie hier schon mit Ortskenntnis prahlen wollen, hätten Sie erkennen müssen, dass die ersten Bilder ein Blick aus der S-Bahn sind, kurz nach dem S-Bhf Friedrichstr. und dass dann in die U-Bahn geschnitten wurde. Und Herr Westheide, die ersten 30 Sekunden sind kein Dialog, sondern ein Monolog. Und was Sie über den Film sagen ... ach gottchen nee, na ja, eben wie der Jürgen im Film.
Alles Gute.

@Stefan den Berliner: richtig lesen ist mal ein Tip: ich spreche von dem Monolog NACH dem Dialog. Das mal als Formalia.
Ich hab auch lang genug in Berlin gelebt, um einen Nicht-Berliner berlinernd zu hören, aber selbst wenn ich nie dort gewesen wäre: es klang aufgesetzt. Und wo der Schnitt von der S-Bahn in die U-Bahn war ist vollkommen belanglos für die Frage: ist das ein guter Film. Warum das aus ihrer Sicht so ist, haben sie kein Wort verloren, auch nicht darüber, warum meine Einschätzung so falsch, dumm und dämlich sein soll. Das bleibt ein belangloser Film, und dass das nicht so wäre, habe Sie jedenfalls nicht belegt.

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