Nachtrag Münster Filmfest: ONCE von John Carney

onceplakat.jpg

Liebe mit Musik & vice versa

Gemacht war Once wohl als Mini Indieproduktion für Irland, wo die Band The Frames, in der der Hauptdarsteller singt, Fussballstadien füllen. In Berlin waren letztes Jahr auf dem Frames Konzert etwa 300 Leute, in den USA kannte sie bisher kaum jemand. Ein paar Wochen in Dublin im Kino und dann für DVD - das war der Plan der Miniproduktion. Dann gewann Once in Sundance den Publikumspreis, wurde zum moderaten Hit in den US Kinos und tingelt nun über die weltweiten Festivals, gewinnt andauernd einen Preis. Im Frühjahr kommt er bei uns in die Kinos. In Aachen und Münster auf den Filmfestivals lief er schon.

Die Schauspielerfahrung von Glen Hansard beschränkte sich auf einen kurzen Auftritt im Film The Committments 1991 und seine Partnerin Markéta Irglová, eigentlich Pianistin, hatte überhaupt keine Schauspielerfahrung. Nach einigem hin und her hat der Regisseur John Carney seinen Freund Hansard überzeugt, nicht nur die Musik zu seinem Film zu schreiben, sondern auch gleich die Hauptrolle zu übernehmen. Und das war eine gute Entscheidung!
Der Film braucht gar keine erfahrenen Schauspieler, denn zum einen besteht er aus vielen Szenen, in denen musiziert wird, etwas das Hansard seit 16 Jahren mit den Frames macht, und zum anderen ist der Stil des Films so klar und rund und fein, die Figuren sind gerade glaubwürdig, weil sie so sicher wirken, wenn sie Musik machen und so unsicher, wenn es um den Rest des Lebens (also auch die Darstellung desselben im Film) geht. Das passt einfach.
Once ist eine Musikergeschichte verwoben mit der Geschichte einer unmöglichen Liebe und er ist eine tragisch- schöne Liebesgeschichte verwoben mit einer gelingenden Musikgeschichte.

Once ist auf Video gedreht ohne dabei all die technischen Möglichkeiten, einen Kinolook zu schaffen wahrzunehmen. Stattdessen oft eine „teilnehmende“ Handkamera, die wackelt und bei der die Hell/Dunkel Abgleiche nicht gemacht wurden, gerade so als sei die Geschichte einfach so tags wie nachts „durchgefilmt“ worden. Aber dieser Look, dieses weder künstlich auf Amateur gemachte noch „cinematisierte“ gibt Once ist eine sehr passende Form für die kleine Geschichte und lässt den Zuschauer ganz nah an die Figuren heran.

Der Film ist eine Art Reise, in der die Musik zwei verletzte Menschen einander näher bringt, denen es aber eben wie in Lost in Translation nicht gelingen wird, eine funktionierende oder sagen wir eine bleibende, feste Form für ihre Gefühle zu finden. In ihrer flüchtigen letzten Berührung am Ende des Films, einer Berührung, der keine mehr folgen wird, liegt die Tiefe und Traurigkeit und die ewige Möglichkeit, dass die große Liebe zwar möglich ist, aber es eben auch die Liebe ist, die genau das verhindert: Love will tear us apart sang Ian Curtis von Joy Division und meinte genau das: es ist die Liebe, die die Menschen zueinander und dann wieder auseinander bringt. Wie in Once.

oncestr.jpg

Während es bei Lost in Translation die Verlorenheit in Japan war, das gesichtslose Luxushotel, die Isolierung in der Fremde, welche die beiden Figuren einander näher brachten, so ist es in Once die Musik. Glen Hansard spielt einen Straßenmusiker, der eine tschechische Immigrantin in Dublins Fußgängerzone kennenlernt. Die beiden necken sich, sie hört in seinen Songs die verletze Seele, den gekränkten Romantiker, zu dem ihn eine gescheiterte Beziehung gemacht hat. Sie selbst wirkt beschwingt und gut gelaunt und offensiv - aber als er ihr dann näher kommen will, schreckt sie zurück. Auch da sind unverheilte Wunden.

Sie ist eigentlich Pianistin, verdingt sich im teuren Dublin aber als Putzfrau, lebt mit ihrer Mutter und ihrer zweijährigen Tochter in einer kleinen Wohnung, hat eine gescheiterte Ehe hinter sich. Der Straßenmusiker wohnt zu Haus, hilft seinem alten Vater bei der Reparatur von Staubsaugern und geht anschließend in die Fussgängerzone zum Singen. Zwei Menschen, die irgendwie feststecken in ihrem Leben und begonnen haben, sich von Träumen zu verabschieden.
Man denkt es kommt, wie es kommen muss: Die beiden finden sich und heilen einander von ihren Liebesblessuren. Happy End. Aber sie finden zunächst nur über die Musik zusammen: In den großartigen, patethischen, romantischen Songs von Glen Hansard, die er auch im Duett mit Markéta Irglová singt, sind Teil des Filmplots. Die Texte der Songs und die zunehmende Kraft und Klarheit der Lieder korrespondiert mit den im Film gezeigten Gefühlen der beiden füreinander. Doch die Harmonie, die Nähe, wenn sie zusammen singen - sie gelingt ihnen leider in der Welt ohne Musik nicht. Aus Angst wieder verletzt zu werden, weil da bei beiden noch immer noch der und die andere im Hintergrund ist schleichen sie umeinander - mehr nicht.

Am Ende nehmen die beiden verhinderten Liebhaber mit einer kleinen Band eine Demo CD auf - der Straßenmusiker ist seinem Traum ein „echter“ Musiker zu werden wieder einen Schritt näher. Und dann, wie ich finde ein toller Dreh der Geschichte, als wenn die Musik und die empfundene Nähe ihnen Mut gegeben hätte, wollen es beide nicht miteinander, sondern nochmals mit ihren Ex‘s zu versuchen.
Die beiden gehen auseinander im Wissen um die Möglichkeit einer gelingenden Liebe, die nur Möglichkeit bleibt in dieser Geschichte.

Sehr sehr schöner Film mit herzzerreißend schöner Musik, eine kleine, berührende Liebesgeschichte mit der richtigen Musik und einem Ende, wie das Leben es manchmal bereit hält - wenn es gütig und zugleich grausam zu den Liebenden ist.

Kommentiere den Film oder den Eintrag

Impressum