60-jährige sind schlecht für die Marke

"Darling" von Johan Kling, Schweden 2007

„Darling“ hat der schwedische Regisseur und Drehbuchautor seinen Johan Kling seinen Film genannt. Für Liebesgefühle ist aber in Zeiten der Arbeitslosigkeit wenig Platz, wie Eva und Bernhard feststellen, als sie sich ihr Weg aus der Arbeitslosigkeit schließlich bei McDonald’s kreuzt. Kling konzentriert sich ganz auf seine Hauptfiguren und zeigt dabei, wie unterschiedlich die Chancen zweier Menschen sind, die sich vermeintlich in derselben Situation befinden. Der Grund: Zwischen ihnen liegt ein Altersunterschied von mehr als 30 Jahren.

Eva ist Mitte 20, sieht gut aus, lässt sich jeden Abend von ihrem Freund Micke zu einer hippen Party fahren und arbeitet als Verkäuferin in einer Stockholmer Edelboutique. Eva ist eine blöde Zicke. Sie ist arrogant, oberflächlich, selbstsüchtig und unendlich gelangweilt. Sie betrügt Micke mit dem unerträglichen pseudophilosophischen Literaturschwätzer Nico und nutzt ihre Arbeitszeit zum Telefonieren mit ihren Freunden. Dass Eva deswegen ihren Job verliert, nimmt man als Zuschauer mit großer Freude und Zustimmung zur Kenntnis. Auf ihren Jobverlust reagiert sie wie ein kopfloses Huhn, zumal auch noch ihr Seitensprung aufliegt und Micke sie rauswirft. Eva kann ihren Lebensstil nicht ändern und beginnt Schulden zu machen. Fassungslos stellt sie fest, dass der schwedische Wohlfahrtsstaat ihr nicht unter die Arme greifen will, weil ihr zwei Wochen Arbeitszeit fehlen, um Anspruch auf Unterstützung zu haben.

Bernhard ist „60 - 61 um genauer zu sein“, wie er immer nervös über sich selbst sagt. Bernhard hat vor einiger Zeit seiner Job bei einem schwedischen Elektronikkonzern verloren, wo er 30 Jahre als Ingenieur gearbeitet hat. Seine Frau hat ihn für einen jüngeren Mann verlassen. Jetzt hockt er allein in einem großen Haus in Stockholm, das er sich eigentlich gar nicht mehr leisten kann. Bernhard nervt in seiner Schwatzhaftigkeit, die ihn aus Unsicherheit jedem seine Lebensgeschichte erzählen lässt. Gerade deswegen entwickelt man aber auch Sympathie für ihn. Bernhard ist überfordert und unterwürfig aber beharrlich auf Jobsuche. Schließlich wird er von einer Computerfirma auf Probe für 30 Tage als Vertreter für Modems eingestellt. Am Monatsende beraten die beiden jungen, dynamischen Geschäftsführer über ihn: „Was machen wir mit Bernhard? Er hat durchschnittlich verkauft, nicht schlechter als die Anderen.“ – „Ach, es fühlt sich nicht gut an, einen 60-jährigen im Team zu haben. Der beschädigt unsere Marke, außerdem ist er so ein Schleimer.“ Das war’s für Bernhard.

In der Mitte des Films geschieht das, was noch am Anfang undenkbar war. Evas und Bernhards Wege kreuzen sich – bei McDonald’s beim Burgerbraten. Für Eva ist dieser Job das Letzte, Bernhard dagegen ist dankbar. Hier bringt ihm sein mehr als 30 Jahre jüngerer Chef sogar so etwas wie Respekt entgegen. Schnell entwickelt sich zwischen Eva und Bernhard eine Freundschaft. Diese Freundschaft ist für beide so etwas wie ein Rettungsring: Eva hat festgestellt, dass unter man den Stockholmer Aufsteigern wenig Freunde hat, wenn das Geld fehlt. Bernhard ist seiner Ex-Frau nur gleichgültig und seiner Tochter lästig.

So richten sich die beiden eine kurze Zeit aneinander auf. Doch Filmemacher Johan Kling bleibt konsequent. Schnell ist klar, wer in dieser Geschichte den persönlichen Abstieg fortsetzt und wer noch eine Chance auf den Wiederaufstieg hat. Die Lebenswege von Eva und Bernhard überschneiden sich nur für kurze Zeit. Danach driften sie wieder auseinander. Für eine melancholische Freundschaft lassen die Arbeitswelt und die unterschiedlichen Wünsche und Ziele der Generationen keinen Raum. Der Verrat der Freundschaft geschieht fast ohne zu zögern. Das Ende ist bitter.

Kommentare ( 2 )

komisch, dass die skandinavier soviele Filme über kaputte Arbeitsverhältnisse machen. Ich dacht, WIR haben die probleme...

Ja, das ist wohl das Problem. WIR denken immer, WIR hätten die größten Probleme...dit is aber wohl eher son globales Problem, insofern sind WIR dann alle wieder in dieser verschobenen Wahrnehmung vereint.

Kommentiere den Film oder den Eintrag

Impressum