Kann Cann-ES?

Der erste klassische Kalauer wäre mit der Überschrift vollbraucht! Genau wie wir ja die ersten typischen Bilder von schönen Menschen in schulterfreien Kleidern und Smokings, die auf einem roten Teppich mit Palmen im Hintergrund defilieren schon gesehen haben.
Zur Abwechslung eine fette Biene, die von einem Hotel an den Strand schwebt. In dem Kostüm Jerry Seinfeld, der für einen Film wirbt. Nur ein PR Gag, sagen alle, schreiben alle, senden alle. Und weil sie es alle tun hat er ja funktioniert, als schöner Kontrast zu den schicken, schlanken Schönheiten.

Ach ja, die Filme. Bisher ein Eröffnungsfilm, der „im Vergleich zu den auf Festival üblichen Eröffnungsfilmen“ gelungen genannt wird (SZ) Wong Karwais, erster Film in Amerika, eine Art Beziehung goes On The Road Movie. Wong Karwai ging es bisher fast nie um Handlung als viel mehr um Stimmung. Die Frage war, wirkt das auch in Amerika oder nur vor dem Hintergrund von Hongkong?

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Wong Karwai zitiert sich offenbar selbst (sagen die einen), er ist sich treu geblieben (sagen die anderen), nur dass er seine Helden auf amerikanischem Territorium leiden lässt. Er benutzen dabei klassische Amerika Ikonographie irgendwo zwischen Hopper und Ford mit seinen eigenen klassischen Figuren: kettenrauchende, melancholische Männern und traurige, wunderschöne Frauen. „My Blueberry Nights“ sei also nichts Neues und nur wieder eine weitere Variation des Bekannten – was, wenn es gelingt, wie ich finde, jedoch auch schön sein kann.
Ich finde den Anspruch, dass Regisseure sich ständig neu erfinden sollen und am besten mit jedem Film eine neue Bildsprache und ein noch nie dagewesenes Thema oder einen noch nie dagewesenen Blick auf ein Thema präsentieren, doch sehr hegeliansch gedacht. Als wenn die Filmgeschichte durch ständigen Fortschritt einem Sinn zustrebe, einem Ende der Geschichte, also einer Art Überfilm / Endfilm, nach dem dann alles gesagt ist.
Worüber die Kritiker enttäuscht sind scheint nämlich nicht der Film selbst zu sein, sondern eher, dass ihre Erwartungen „nach etwas Neuem“ nicht erfüllt wurden. Man hat Wong Karwai immer für seinen unverwechselbaren, wunderbaren Stil gefeiert und genau das sehen wollen. Nun wollen das viele offenbar nicht mehr.

Die Coen Brüder haben einen Film abgeliefert, der....

....nach ihren letzen beiden eher seichten Filmen (2003: Ein (un)möglicher Härtefall (Intolerable Cruelty), 2004: Ladykillers) wieder zurück bei den großen Obsessionen Amerikas angekommen sind: Gewalt und Geld. „No Country for Old Man“ spielt an der Mexikanischen Grenze. Ein kommt in Besitz eines Geldkoffers und wird nun von einem Killer gejagt. Sein Gegenspieler ist einen typischen amerikanischer Helden, der Handwerker, Loner und verbissener Kämpfer in einem ist. Das ganze scheint recht zynisch, humovoll inszeniert und da die Geschichte in den 80ern spielt und mit vielen Gewalt- und Vietnamreferenzen gespickt ist, kann man ihn durchaus als politische Parabel auf das heutige Amerika lesen. Vielleicht ja eine Art „Fargo“ ohne Schnee – das wäre genial (kommt im November in den USA ins Kino)

Gelobt, besonders als Kontrast zu den Etablierten, an denen man sich offenbar satt gesehen hat, wird ein rumänischer Film: Ein paar Menschen in einem Studentenwohnheim im Rumanien der 80er Jahre. In „4 Monte 3 Wochen 2 Tage“ geht es um Abtreibung und zugleich eine Abrechnung mit dem Kommunismus. Die Frauen sollen nach sozialistischen Idealen gleichgestellt sein und sind in der Zeit der Krise doch vor allem auf sich allein gestellt, worauf der Film zum Thriller wird. Es gibt offenbar ein kleines rumänisches Filmwunder, dreckig, rau direkt und mit einem frischen Blick. So hat beispielsweise die New York Times vor einer Weile den rumänischen Film „The Death of Mr. Lazarescu geradezu abgefeiert (New York Times Artikel).

Gemischte Reviews erhielt einer der wenigen französischen Produktionen im offiziellen Wettbewerb: Les chansons d’amour“ von Christophe Honorés. Der Film ist ein Musical mit Nouvelle Vague Referenzen und handelt von einer „typisch“ französischen menage a trois, die den Helden aber in Eifersüchteleien und Zweifel stürzt. Dann stirbt plötzlich eine der drei Beteiligten und die männliche Figur kommt damit nicht zurecht. Kritisiert wird die Oberflächlichkeit und mangelnde Tiefe der Figuren, die glatte Inszenierung, die Susan Vahabzadeh in der SZ im Gegensatz zu Honorés Nouvelle Vague Vorbildern „viel zu ordentlich und faktisch“ nennt.

Fatih Akins Film „Die andere Seite“ läuft erst am kommenden Mittwoch, aber unser Mann in Cannes (der zweite Reimkalauer) ist in doppelter Hinsicht ein Erfolg. Nicht nur weil deutsche Filme so selten für den offiziellen Wettbewerb eingeladen werden (die Fetten Jahre sind vorbei war vor 2 Jahren der erste deutsche Film im Wettbewerb seit langem), sondern auch, weil Akin sich mit einem großen Thema beschäftigt, dem sich viele andere deutsche Filmemacher verweigern: Einwanderung und Immigartionsgesellschaft. Wir sind gespannt.

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