Cannes spricht deutsch

Wie kann man über ein Film-Festival an der Côte d’Azur schreiben, wenn man in Bayern festsitzt? Wenn vor dem Fenster nicht Angelina Jolie und Martin Scorsese vorbeiziehen, sondern deutsche Laster auf deutschen Autobahnen? Ich bin ein wenig sprachlos und ganz sicher neidisch, trotzdem aber auch voller Vorfreude, denn irgendwann werden es die vielen Entdeckungen von Cannes ja auch auf deutsche Leinwände schaffen.
Dass die deutschsprachigen Filme dieses Jahr besonders wohlwollend aufgenommen wurden, erfüllt die Abgesandten der deutschen Filmkritik hörbar mit Stolz.

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Fatih Akins neuer Film „Auf der anderen Seite des Lebens“ aber wird nicht nur von ihnen sondern auch von der internationalen Filmkritik als heißer Kandidat auf die goldene Palme gehandelt. So ist Akin (Jahrgang 73) für die spanische Tageszeitung El pais „la voz de una juventud que necesita una identidad no nacionalista, una juventud que busca sus orígenes pero que detesta las banderas, que en definitiva cree que se puede -y se debe- vivir entre culturas.” (die Stimme einer Jugend, die eine nicht nationalistische Identität braucht, einer Jugend die nach seinen Urprüngen sucht, die Grenzen hasst, die glaubt sie kann – und sollte – zwischen den Kulturen leben“). Nach „Gegen die Wand“ ist „Auf der anderen Seite des Lebens“ der zweite Teil einer Trilogie. Leitthema ist diesmal nicht Liebe sondern der Tod.

Noch ein Jahr jünger als Akin ist Robert Thalheim, der auf der Berlinale 2005 mit seinem Debüt „Netto“ überzeugen konnte. In Cannes zeigt er seinen zweiten Spielfilm „Am Ende kommen Touristen“.

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Der autobiografische Film über seine Zivildienstzeit in der Begegnungsstätte des Konzentrationslagers Auschwitz läuft in der Nebenreiche „Un Certain Regard“. Für „Die Welt“ hat Thalheim übrigens sehr schön seine Erlebnisse in Cannes beschrieben, z. B. wie es ist, von Jim Jarmusch angerempelt zu werden.

Der jüngste im Trio der deutschen Jungregisseure ist Jan Bonny. „Gegenüber“ ist seine Abschlussarbeit an der Kunsthochschule in Köln und läuft in „Quinzaine de réalisateurs“, einer Cannes-Reihe, die am ehesten mit der Berlinale-Sektion Forum verglichen werden kann.

Gegenüber“ erzählt von der Liebe in einer Ehe, in der die Gewalt nicht vom Mann sondern von der Frau ausgeht. Nicht nur die Kritiken, sondern auch der Trailer ist sehr vielversprechend.
Neben Akin, Thalheim und Bonny wirkt Volker Schlöndorff schon fast wie ein Urgestein. 1979 hat sich Schlöndorffs „Die Blechtrommel“ die Goldene Palme mit Coppolas „Apocalypse Now“ geteilt. Fast dreißig Jahre später präsentiert er mit „Ulzhan“ einen Road Movie, über den bisher noch kein Kritiker gemeckert hat.
Bei allen Enthusiasmus scheint sich die deutsche Präsenz in Cannes allerdings noch nicht bis nach Hollywood rumgesprochen zu haben. Die Topnachricht des Branchenblattes Variety war gestern dann auch nicht Fatih Akin, sondern das Warner Brothers „He Man and the Masters of the Universe“ neu verfilmen wird. Seis drum....

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