Der große Bruder hat sie noch alle...

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60 Jahre wird das Filmfest von Cannes. Und wieder scheinen sie alle gekriegt zu haben. Won KarWai, Tarrantino, Fincher, Gus van Sant, die Coen Brüder und sogar "unser" Fatih Akin darf als erster Deutscher seit langem wieder einen Film im Wettbewerb zeigen.

Die liebe Berlinale hat in diesem Jahr wahrlich nicht unter Starmangel gelitten, aber in den Augen der meisten Kritiker konnten die vielen Namen von Eastwood, DeNiro, Soderbergh und Ozon und Rivette bis Schrader undundund nicht über die mangelnde Qualität der Filme hinwegtäuschen.
Auch wenn wir auf dem Festivalblog zu einem differenzierteren Ergebnis gekommen sind, weil wir die Berlinale als Gesamtkunstwerk mit Forum und Panorama durchaus gelungen fanden, so bleibt das alte Problem: Nach Cannes gehen die Namen mit den großen Filmen und nach Berlin holt man offenbar zu oft nur Namen mit mässigen Filmen - jedenfalls im Wettbewerb. Ich halte einen Teil der Kritik für typisch deutschen Selbsthass, denn nach Cannes kommen sie zwar alle gern, aber bringen die großen Namen denn wirklich die ganz große Filmkunst mit an die Croisette? Im Leben nicht! Nicht mehr jedenfalls als nach Berlin.

Auch in Cannes gibt es viel viel Durschnittliches zu sehen. Und nur weil da mal Wonkarwai und mal Michael Moore gewinnen, kann man doch nicht behaupten, nur dort (oder in Venedig) würden die Möglichkeiten der Filmkunst ausgelotet und in Berlin sei viel zu oft dröges Mittelmaß.
Der Vergleich fiel auch in den letzten Jahren immer zu ungunsten von Berlin aus und das nicht nur wegen des blöden roten Teppichs an der Croisette, dem Meer und den ganzen Cannes Klischees von der High Society des Films und ihren Speichelleckern, die in ihren teuren Roben im Licht des Südens so strahlend aussehen, dass der rote Teppich im Schneeregen vor dem Berliner Festivalpalast dagegen eben nach Krampf und Arbeit, aber sicher nicht nach Glamour und schöner Kunsts aussieht. Jedenfalls wenn man sich mit dem ersten Eindruck und der Oberfläche zufrieden gibt.
Auf mich wirken in all den Berichten von Cannes die schreibenden und funkenden Journalistenkollegen immer wie kleine, dicke Kinder am Rand des Klettergerüsts, die gern so wären wie die Kinder, die ganz oben stehen und kreischen. Und dann schreiben und reden sie eben von den tollen Leuten, der Leichtigkeit, den Parties und dem Teppich, immer wieder dem Teppich. Und die Filme bekommen einen Glanz und Bedeutsamkeit in all der Leichtigkeit, die weniger mit ihrem Inhalt als mit ihrem Auftritt zu tun zu haben scheint.
Die deutschen Journalisten, wahrscheinlich nicht wenige mit der typisch deutschen Italiensehnsucht nach Licht und leichtem Leben ausgestattet, finden in Cannes offenbar ein Filmfestival, das im rechten Licht stattfindet und plötzlich werden auch mittelmässige Filme, die sie auf der Berlinale ausbuhen oder kopfschüttelnd beschweigen würden, als "zarte filmische Offenbarung" oder "der große Wurf" oder als "Momentaufnahme des modernen Kinos" beschrieben.

Die Jury in Cannes ist zum 60sten natürlich wie jedes Jahr hochkarätig besetzt - aber auch da muss sich Berlinale eigentlich nicht verstecken. Sie hatte 2007 die seit Jahren sicher spannendsten Filmemacher in ihrer Jury zusammen.
Ich bin jedenfalls sehr gespannt ob die beeindruckende Liste bekannter und halbbekannter Regisseure im Wettbewerb von Cannes halten kann, was sie verspricht.
Cannes kann kommen...und dann sollen die Berlinale Nörgler mal zeigen, warum da alles Sonnenschein ist, selbst im Kinosaal.

Kommentare ( 1 )

ja, die liste ist dieses jahr mal wieder beeindruckend. vielleicht muss man einfach mal da gewesen sein, ob der glanz vor ort wirklich noch anhält. in berlin kann man sich, und das ist vielleicht sogar ein vorteil, wegen des dämlichen matschwetters, dem fehlenden meer und den oft durchschnittlichen wettbewerb auf die "kleinen filme" in den nebensektionen konzentrieren. der schatten, in dem filme von arslan, schanelec, ottinger oder jeff nichols stehen ist nicht nur wegen der fehlenden sonne in berlin kleiner sondern auch weil es selten film im wettbewerb gibt, der einen vom hocker haut.

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