Plädoyer für die Menschlichkeit

"L'Espagne vivra" und "Le Retour" von Henri Cartier-Bresson (Magnum in Motion)

Die Reihe Magnum in Motion bot die wunderbare Gelegenheit, zwei Filme des Mitbegründers der legendären Fotoagentur zu sehen. In "L’Espagne vivra" (1938) und "Le Retour" (1945) schildert Henri Cartier-Bresson einfühlsam und eindringlich Elend und Bedrohung durch den Faschismus. Dabei ergreift er deutlich Partei, gegen Krieg lohnt es zu kämpfen und gemeinsam gegen Not und Leid einzustehen. Ohne voyeuristisch oder laut anklagend zu sein, sind die bewegten Bilder von Cartier-Bresson ein Appell für Freiheit und Menschlichkeit. Mehr...

"L’Espagne vivra" entstand während des spanischen Bürgerkriegs. Mehrere Monate hielt sich Cartier-Bresson für diesen, seinen zweiten Film in Spanien auf, ohne jedoch ein Foto zu machen, wie er später bedauerte. Er zeigt uns die republikanische Seite und auch Francos Truppen im militärischen Drill durch schnelle Schnitte und Rhythmik der Bilder. Doch geht es hier nicht allein um Spanien, vielmehr um die faschistische Bedrohung Europas und Frankreichs im speziellen.
Geographische Karten machen (über)deutlich, wie die französische Republik von Spanien, Italien und Deutschland eingekesselt ist. Die Gefahr, die somit nicht allein von Franco ausgeht, sondern auch von seinen Verbündeten, vermitteln zudem eine Passage aus Hitlers "Mein Kampf" („der Todfeind Frankreich“) und das Verhör eines italienischen Soldaten – dem einzigen O-Ton des Films. Dennoch beharren die Regierungen Frankreichs und Großbritannien auf der vereinbarten Nichtintervention; nachdrücklich ist diese Untätigkeit durch das immer wiederkehrende Bild des britischen Außenministers, der aus seiner Limousine aussteigt und stets nur bis zum Gebäudeeingang kommt, eingefangen.

Im Unterschied dazu werden im letzen Teil des Films die Aktivitäten der Secours populaire de France et des Colonies gezeigt, einer den Kommunisten nahestehenden Organisation, in deren Auftrag dieser Film gedreht wurde. Hilfsgüter werden gesammelt, Kondensmilch für die Kinder, Lebensmittel und Kleidung, um die Republikaner in Spanien zu unterstützen. Somit letztlich ein Aufruf an die französische Bevölkerung, durch Geld oder andere Spenden einen Beitrag gegen die nahende Bedrohung zu leisten.
Langsamer und leiser ist "Le Retour" (produziert vom amerikanischen Nachrichtendienst).

Cartier-Bresson, von 1940-43 selbst in deutscher Gefangenschaft, zeigt in nachhaltig wirkenden Bildern die Heimkehr der Kriegsgefangenen und Deportierten, das Leid und die Hoffnung. Die ausgemergelten, erschöpften Körper, die fahlen Gesichter, Männer, die sich auf den langersehnten und doch so mühevollen Marsch nach Hause machen; andere, die per Fliegerstaffeln transportiert werden und zum ersten Mal Feindes- und Heimatland aus der Luft sehen.
Doch trotz Befreiung sind Elend und Tod noch allgegenwärtig und zum Schutz vor Seuchen werden Männer, Frauen und Kinder mit DDT-Pulver eingesprüht. Besonders eindrucksvoll auch die als Fotografie festgehaltene Szene in Dachau, in der eine Frau ihre Denunziantin wiedererkennt. Der Film endet in Paris, am Bahnhof Orsay; dort wo heute die Touristen Meisterwerke der Malerei bestaunen, war für die Heimkehrer eine Notunterkunft eingerichtet; dort sehen wir die bangen Gesichter der wartenden Frauen und Mütter und das Glück des Wiedersehens.

Beide Filme zeigen uns einen für Menschlichkeit und Freiheit eintretenden Cartier-Bresson. Schade nur, daß aufgrund technischer Schwierigkeiten eine englische Simultanübersetzung den französischen Originalkommentar sowie die begleitende Musik überdeckte, und die anfangs stetig wechselnde Lautstärke von der Wirkung der Bilder ablenkte.

Kommentare ( 1 )

..bemerke noch, dass die genannte 'nicht-Einmischungspolitik' Frankreichs und Grossbritanniens die faschistische Gefahr betreffend durchaus auch den Hintergrund hatte, dass man etwa im Osten den deutschen Faschismus gegen die heraufziehende 'kommunistische Gefahr' in Stellung zu bringen gedachte (Muenchener Vertraege '38), was damals durchaus sowohl im Sinne der Franzosen als auch der Briten gelegen hatte, ich weiss nicht ob Cartier-Bresson dies irgendwie thematisiert.

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