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"Miss GULAG" von Maria Yatskova (Panorama)

„Miss GULAG“ überrascht. Es ist kein Film, der die Zustände in den Frauenstraflagern Sibiriens anklagt. Stattdessen steht eine Frage im Mittelpunkt: Wo ist das Leben besser? Drinnen oder draußen?

In ihrem Debutfilm hat sich die in New York aufgewachsene Regisseurin Maria Yatskova auf drei Figuren konzentriert.
Yulia sitzt im Straflager UF-91/9 wegen Drogenhandels. Sie hat noch keine Aussicht auf eine Entlassung. Tatiana ist seit sieben Jahren in UF-91/9. Ihr Vergehen: ein bewaffneter Raubüberfall auf eine Tankstelle.
Tatiana wird bald wegen ihres Begnadigungsgesuchs angehört werden.
Natasha war nach dem Totschlag am Dealer ihres Freundes, der an einer Überdosis starb, in UF-91/9 eingewiesen worden. 6 Monate vor Drehbeginn war sie aus der Haft entlassen worden.

Yatskova zeichnet drei Phasen im Leben dieser Frauen nach. Zunächst wie die Frauen ins Lager kamen und wie der Zerfall der Sowjetunion auch einen sozialen Zerfall nach sich gezogen hat, in dessen Strudel viele Schicksale aus dem Gleichgewicht gerieten. Dann wie das Leben im Lager Yulia, Tatiana und Natasha prägt. Dabei wird Bedeutung der jährlichen Modeschau des Lagers deutlich. Diese Schau, auf die sich der Titel des Films bezieht, ist ein Versuch die Selbstachtung der Insassinnen zu bewahren und eine Verbindung zu der Welt außerhalb des Lagers zu schaffen. Schließlich wird das Leben nach der Haftentlassung beschrieben, dem jede Perspektive fehlt. Nachdem Tatiana Haftaufschiebung gewährt wurde, findet sie nach sieben Jahren Haft ihre Wohnsiedlung verlassen und heruntergekommen wieder. Auch die Lage von Natasha in der Welt draußen ist ernüchternd. Die begabte Sängerin kam als Teil der russischen Minderheit aus Kasachstan nach Russland. In ihrer ehemaligen Heimat machte der aufflammende Nationalismus nach der Unabhängigkeit ein Weiterleben unmöglich. In Russland angekommen kriegt sie nur Papiere, wenn sie Arbeit hat und nur Arbeit wenn sie Papiere hat, das übliche Spiel. Nach Ihrer Entlassung ist ihre Situation noch schwieriger geworden. Sie kann während der folgenden vier Jahre Bewährung keine Papiere beantragen. Die Freiheit ist eine aussichtslose, aber dennoch unschätzbar.

Mit dem Porträt von Yulia, Tatiana und Natasha gelingt Maria Yatskova ein Porträt über das Russland von heute ohne zu politisieren. Sie überlässt es dem Zuschauer, sich eine eigenen Meinung zu bilden.

In der „Question and Answer Session“ nach der Vorführung steht eine ältere Dame auf und fragt, ob sie in Deutsch, Englisch oder Russisch sprechen soll. Sie sagt es dann in Deutsch: „Zu unseren Zeiten wurden wir aus politischen Gründen in die Straflager nach Sibirien geschickt. Das erschreckende ist heute, dass die Jugend nicht wegen ihrer politischen Meinung sondern wegen ihrer sozialen Situation in diese Lager kommt. Ich danke ihnen, dass sie dieses so ehrlich und offen gezeigt haben“.

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Titel

Orignaltitel

Miss Gulag

Credits

Regisseur

Maria Yatskova

Land

Flagge Vereinigte StaatenVereinigte Staaten

Jahr

2000

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