Fußball, Ferien und Moses im Schilf

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„O ano em que meus pais sairam de férias“ („The Year my Parents went on vacation“) von Cao Hamburger (Wettbewerb)

Brasilien 1970. Es herrscht eine Militärdiktatur und in Mexiko bereiten sich die Mannschaften auf die Fußball-Weltmeisterschaft vor. Der 12-jährige Mauro fiebert mit seinen Helden mit, übt sich im Tischfußball und kann es kaum erwarten, das die WM beginnt. Da eröffnen ihm seine Eltern, dass sie für unbestimmte Zeit „in Urlaub“ fahren müssen. Mauro soll unterdessen beim Großvater wohnen. Cao Hamburgers „O ano em que meus pais sairam de férias“ verknüpft die politischen Ereignisse dieses Jahres geschickt mit dem gesellschaftlichen Ereignis Nummer Eins aus der Sicht eines kleinen Jungen.

Mauro (Michel Joelsas) wird vor der Tür seines Großvaters abgesetzt und schon haben sich die Eltern hastig verabschiedet. Das Problem: Der Großvater ist am selben Tag plötzlich gestorben. Die Nachbarn des Großvaters in dem überwiegend jüdischen Viertel von Sao Paolo kümmern sich um den Jungen – allen voran der alte Shlomo (Germano Haiut), der ständig zwischen Jiddisch und Portugiesisch wechselt, und der im Umgang mit 12-jährigen Jungs gänzlich ungeübt ist. Zunächst will er die Verantwortung an dem Jungen abgeben, aber der Rabbi erinnert ihn an die Geschichte von Moses im Schilf – und so muss Shlomo wohl oder übel die Tochter des Pharao mimen. Nach einem eher holprigen Anfang entsteht schließlich eine ungewöhnliche Freundschaft zwischen Mauro und Shlomo. Das energische Nachbarsmädchen Hanna führt Mauro in die Clique des Viertels ein. Die WM beginnt, und von den Eltern gibt es noch immer keine Spur.

Sehr schön zeigt der Film, wie Mauro – der nicht jüdisch erzogen wurde – das Leben in dem traditionell geprägten Viertel kennen lernt und allmählich Teil der bunten Kosmos dort wird. Zwischen Fußballfieber, Kleine-Jungen-Streichen und den Schrullen der alten Leute im Viertel zeigt der Film einen überzeugenden Sinn für Tempo und Komik. Dennoch kippt er nie in bloßen Klamauk ab, denn der politische Subtext ist immer wieder zu spüren. Verstohlene Gespräche, Polizeirazzien: Es gibt durchaus Hinweise auf die brodelnde politische Situation im Land, aber offen wird nie über Politik geredet. Während des Finalspiels – das Brasilien gegen Italien gewann – findet der Film zu einem gelungenen Höhepunkt, der das Schöne und das Traurige untrennbar miteinander verbindet.

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Titel

Orignaltitel

O ano em que meus pais saíram de ferías

Englischer Titel

The Year My Parents Went On Vacation

Credits

Regisseur

Cao Hamburger

Schauspieler

Germano Haiut

Michel Joelsas

Daniela Piepczyk

Land

Flagge BrasilienBrasilien

Jahr

2006

Dauer

110 min.

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