Ein unglaublich schlechter, sehenswerter Film

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“Andy Warhol: A Documentary Film” von Ric Burns

Ric Burns hat einen Dokumentarfilm gedreht. Dabei hat er das Kleine Ein-Mal-Eins des Dokumentarfilmdrehens bis zum letzten Komma befolgt. Sein vierstündiger Film erzählt das Leben Andy Warhols streng chronologisch. Verwandte, Zeitzeugen, Kunstkritiker und Kuratoren kommen zu Wort. In einem ausführlichen Voiceover wird das Leben Warhols erzählend vorangetrieben, dazu tönt ohne Pause einschmeichelnde Musik. Es ist ein Desaster. Das Allerschlimmste: Obwohl die Dokumentation ein Desaster ist, guckt man sie zwanghaft bis zum Ende, weil das Thema Warhol so faszinierend ist.

Warum Ric Burns zu den oben beschriebenen völlig verstaubten dramaturgischen und ästhetischen Mitteln gegriffen hat, um einen Mann zu beschreiben, der das künstlerische Arbeiten und die Wahrnehmung von Kunst – und das gilt auch für den Film – im 20. Jahrhundert revolutioniert hat, ist völlig rätselhaft. Die Erzählstimme aus dem Off stammt von der Künstlerin Laurie Anderson. Sie spricht schwülstige Texte mit soviel Pathos, dass es selbst Guido Knopp peinlich wäre. Ähnlich ist es mit wörtlichen Warhol-Zitaten, die von Jeff Koons gesprochen werden. Dieses Pathos wird durch die nie endende Hintergrundmusik ins Schmerzhafte gesteigert. Besonders schlimm wird es ,wenn Ausschnitte aus Warhols Filmen, die ursprünglich nicht vertont waren, mit Musik hinterlegt werden. Neben diesen handwerklichen Unzulänglichkeiten, stößt die lineare Erzählweise besonders auf. Warhol hat als Künstler immer wieder mit Gesetzen des Kunstbetriebes und den Grenzen der Wahrnehmung gespielt, was einen innovativeren Umgang mit filmischen Mitteln doch geradezu herausfordert, vor allem wenn man das Interesse des Publikums vier Stunden lang wach halten will.

Zu Ric Burns Entlastung kann man vermutlich anführen, dass der Film für eine mehrteilige Fernsehdokumentation gedreht worden ist. Dieser Eindruck drängt sich jedenfalls auf. Positiv ist außerdem zu verbuchen, dass der Film ein großes Gewicht auf die Kunst Warhols und nicht nur auf die Person Warhol legt. Darüber hinaus hat Burns interessante Gesprächspartner, insbesondere den Warhol-Kurator der ersten Stunde Irving Blum, den Kunstkritiker Dave Hickey und das Factory-Faktotum Billy Names. Die Statements geben viele interessante Anknüpfungspunkte zum Nachdenken über den Künstler Warhol, wiederholen sich aber auch manchmal und sind in der Fülle erdrückend.

Letztlich ist es nur der Person Andy Warhols zu verdanken, wenn der Zuschauer bei dieser Dokumentation nicht schon nach kurzer Zeit aufgibt. Belohnt wird dies mit einer Fülle von interessantem Archivmaterial. Burns ist es nicht gelungen, dem Thema Andy Warhol ästhetisch gerecht zu werden. Aus einem unerhörten Rechercheaufwand und einem erheblichen Zeitbudget holt der Regisseur so nur wenig Ertrag. Der Zuschauer kann hinterher darüber sinnieren, was alles möglich gewesen wäre.

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Titel

Orignaltitel

Andy Warhol: A Documentary Film

Credits

Regisseur

Ric Burns

Land

Flagge Vereinigte StaatenVereinigte Staaten

Jahr

2000

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