"The Walker" von Paul Schrader (Wettbewerb a.K.)
Mit seinem Film „The Walker“ zeigt Regisseur Paul Schrader, dass er – Drehbuchautor von Taxi Driver und Raging Bull – noch immer in der Meisterklasse mitspielt. Allerdings läuft der Film im Wettbewerb außer Konkurrenz, immerhin ist Schrader Jury-Vorsitzender, und ein weiteres Jury-Mitglied, Willem Dafoe, ist in einer Nebenrolle zu sehen. Die Hauptrolle spielt Woody Harrelson: Er ist Carter Page III, genannt Car, der hauptberuflich die Frauen gestresster Washingtoner Politiker in die Oper begleitet und mit ihnen Canasta – und eventuell auch noch andere Dinge – spielt.
Selbst Sohn eines inzwischen verstorbenen prominenten Politikers, ist Car das schwarze Schaf in der Familie. Er trägt nur den feinsten Zwirn, führt ein luxuriöses Leben und Komplikationen jeder Art tut er mit einem charmanten Lächeln ab. Aller Klatsch und Tratsch dringt irgendwann an sein Ohr, durch die Intrigen der Politiker-Klüngel laviert er sich mit viel Geschick und Gespür. Dennoch kommt man nicht umhin, Car als eine Art luxuriöses Schmuckstück seiner Begleiterinnen zu sehen. Allein zwei Beziehungen scheinen ihm tatsächlich etwas zu bedeuten – die zu seiner alten Freundin Lynn, die Kristin Scott Thomas als elegante, abgeklärte und dennoch verletzliche Frau spielt. Und die zu seinem Liebhaber Emek – Moritz Bleibtreu gibt den Künstler, der sich vornehmlich mit Folterbildern aus Abu Ghraib beschäftigt, als klugen, einfühlsamen und temperamentvollen Mann, der zu seiner Liebe steht.
Eines Tages geschieht ein Mord in dieser illustren Gesellschaft und Car schützt Lynn, indem er vorgibt, statt ihrer die Leiche entdeckt zu haben. Plötzlich steht er unter Mordverdacht und die gute Gesellschaft wendet sich von ihm ab. Car, der Schwierigkeiten stets mit einem Achselzucken begegnet ist, muss auf einmal um seine Existenz kämpfen. „The Walker“ verbindet einen spannenden Plot mit einer überzeugenden persönlichen Entwicklung und spiegelt dabei ganz nebenbei und doch exakt die Stimmung in der politischen Gesellschaft der USA nach dem 11.September wider. Meister bleibt eben Meister.
Kommentare ( 1 )
Ausserdem gibts einen Südstaaten Slang nuschelnden, schlagfertigen Oscar Wilde like Harrelson mit Haarteil und Schnullibart zu sehen, dessen Charakter Car, genau weiß, wie Washington funktioniert. Und als er unter Verdacht gerät, mit dem Mord irgendwas zu tun zu haben, drehen ihm viel "Freunde" den Rücken zu. Aber das verletzt ihn nicht, so läuft es eben und er weiß immer schon, was passieren wird. So langsam schliessen sich die Türen der reichen Leute. Niemand hat Freunde in der Stadt, niemand kann sich auf jemanden verlassen, außer auf sich selbst und die Herrschaften in den dicken Autos und Häusern, in geschmackloser Einrichtung retten ihren eigenen Hintern
Dass der Vizepräsident am Ende nach einer Firmenpleite auch hinter dem Mord steckt (Enron kommt in den Sinn) ist wie viele kleine Seitenhiebe auf "die kranken Zeiten" auch ein Statement zu 6 Jahren Bush.
Erwähnen sollte man eine großartige Lauren Bacall, 60 (!) Jahre im Business spielt sie eine mit allen Wasser gewaschene, witty Dame der Gesellschaft und die Dialoge mit Harrelson sind so flott und hintersinning, dass man meint, wieder in den guten 50er/60er Jahre Filmen zu sitzen. Toll!
Paul Schrader sagte ihn habe ein Charakter interessiert, der wie die anderen Figuren, über die er schrieb, irgendwie aussen vor stehen, auf eine traurige und beeindruckende Art Loner sind. Ein American Gigolo heute...
Posted by Christian | 14.02.07 11:06