80er: Säufer, Kiffer, Revoluzzer - aber nicht in Hamburg Hafenstraße

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"...a bude hur (It gonna get worse)" von Petr Nikolaev

Wer wie ich in den 80er im Westen aufwuchs, will gern wissen, wie es zur gleichen Zeit war, 18 zu sein und in einer Diktatur zu leben. Wenn dann noch angekündigt wird, der Film handle von einer Gruppe junger Leute, die einfach nur ihren Spaß haben wollen, so klingt das nach meiner Jugend - und irgendwie nach der Jugend der meisten Leute: Mit dem Unterschied, dass die meisten nicht in den Knast kamen oder ins Irrenhaus, weil sie lange Haare hatten oder nicht zur Armee wollten, und mit dem Unterschied, dass sich von niemanden was sagen zu lassen und auf die Kommunisten zu schimpfen in Tschechien sehr mutig, ja ein politischer Akt war, und bei mir in Dortmund albern, wie jeder Akt von Rebellion, wenn er vollkommen ungefährlich und ohne Konsequenzen ist. Nicht so bei Olin und seiner Gang.

Olin, war ein Jahr weggesperrt, weil er ans ich rumgeschnippelt hat, um nicht zur Armee zu müssen und nun zu seinen alten Freunden irgendwo in die nordböhmische Provinz zurückkehrt. Das wird fröhlich in der Stammkneipe begossen. Wie überhaupt sehr viel einen guten Anlass bietet, sich ordentlich einen reinzugrätschen: Arbeit gefunden, Arbeit verloren, den Bullen entkommen, einen Freund getroffen, Feierabend, Wochenende, neue Freundin, neue Wohnung, Hippyhochzeit undundund. So geht es dann auch eine ganze Weile in dem Film, es wird unheimlich gesoffen, gevögelt und gekifft, man organisiert ein Fußballspiel (was eigentlich auch verboten ist) und das ist natürlich ein schöner Anlass, was zu trinken.

Olin sieht aus wie der Sänger von Soundgarden in seinen besten Tagen (Matte, Kutte, Stiefel) und sein Freund wie eine Mischung aus Fritz Teufel (die Haare) und einem Chinesen. Sie arbeiten als Straßenfeger und haben im Keller eine Wohnung zusammen, die so was wie die Kommune 1 auf tschechisch ist. Dort geht’s kreuz und quer, jeder mit jedem und alles was man rauchen oder trinken kann, wird konsumiert. Das ganze Saufen gegen den Sozialismus erinnert ein wenig an die Romane des Polen Andrzej Stasiuk, dessen Helden ebenfalls auf diese Weise dem sozialistischen Alltag zu entkommen suchen.

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Manchmal wirkt das etwas zu nostalgisch verklärt und sozialromantisch (sicher nicht sozialistisch): alle sind immer für alle anderen da, jeder ist ein bisschen verrückt und verliebt und unheimlich gut drauf und voller Leidenschaft, Begeisterung und Liebe, es gibt keinen Streit und einen total herrschaftsfreien Diskurs – aber gut, ich weiß es ja nicht, war ja nur Popper in Dortmund zu der Zeit.

Dann eskaliert die Situation. Immer öfter schaut die Polizei vorbei, Spitzel werden in die Gruppe geschleust und der Widerstand, der bisher stoisch und vor allem in Sex, Drugs, Rock n’ Roll bestand, wird gewalttätig. Als eine Freundin von Olin verhaftet wird und in ein Jugenderziehungsheim kommen soll, befreien Olin und ihr Freund das Mädchen und beschließen nach Westen abzuhauen.

Alles in Schwarz/Weiß, nach einer Romanvorlage von Jan Pelc gefilmt, leidet der Film darunter, dass er am Anfang zuviel Zeit damit verbringt, den Leuten beim Saufen und Sonstwas zuzusehen und so am Ende die Zeit fehlt, den Höhepunkt der Geschichte noch kohärent und ausführlich zu zeigen. Wo die Kamera am Anfang lange euphorisierte Gesichter, vögelnde Pärchen, Gesänge zur Gitarre usw. zeigt, wird sie am Ende eilig, hektisch, ja sogar Voice-Over muss am Ende helfen, die Geschichte rund zu machen. Schade.
Ansonsten aber für alle Freunde des Pivo und der Tüte, von Wein, Weib und Gesang ein Film mit viel Inhalt und trotz der Glorifizierung ein schöner Einblick für jeden, der in den 80ern weiße Socken und Trenchcoat anhatte.

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Titel

Orignaltitel

A bude hur

Englischer Titel

It Gonna Get Worse

Credits

Regisseur

Petr Nikolaev

Schauspieler

Tereza Hofováv

Filip Kankovský

Mirek Skultéty

Karel Zídek

Land

Flagge Tschechische RepublikTschechische Republik

Jahr

2006

Dauer

86 min.

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