Der Daddy von Neu-Hollywood wird geehrt

Die Hommage der 57. Filmfestspiele hat nach drei Jahren Pause wieder einen ehrwürdigen Filmemacher gefunden: Der Regisseur Arthur Penn, der im September 85 Jahre alt wird.

Genau wie bei Jury Präsident Paul Schrader begann Penns Aufstieg in den wilden 60ern, die nicht nur gesellschaftlich und politisch Umwälzungen brachten, sondern auch das Filmbusiness gehörig aufwirbelten. Penn hatte zwar schon Ender der 50er und Anfang der 60er Jahre ein paar Filme gemacht, die sogar leidlich erfolgreich waren (mit seinem zweiten Film „The Miracle Worker" (1962) wird er für den Oscar nominiert), aber der große Durchbruch kam erst danach.
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Ehrlicherweise muss man auch sagen, dass Penn in fast 50 Jahren als Regisseur nicht so viele Filme gemacht hat, und auch nicht so viele gute: Aber dafür einen, den man wohl als Wendepunkt der amerikanischen Fimgeschichte bezeichnen kann: „Bonnie and Clyde" von 1967 und einen, der den ganzen New-Hollywood Phase mehr oder minder abschließt und das gute alte Privatdetektiv Genre gleich mitbeerdigt: „Night Moves" von 1975 mit Gene Hackman in der Hauptrolle. Domink Graf bezeichnet „Night Moves" als....

.... den „sundowner" der New Hollywood Ära, weil er das Ende der wilden Hoffnungen und Utopien der 60er Jahre in sich trägt - ein Ende in Melancholie und ohne Zorn. Die Figuren in diesem Film wissen, dass sie in der falschen Zeit leben und dass die tollen Jahre vorbei sind: „Wo waren sie, als Kennedy erschossen wurde?" - „Welcher?" - „Egal welcher!" Ein Dialog aus Night Moves, der das Ende der 60er Ideale andeutet.

Bei Penns Filmen steht die Doppelmoral der Gesellschaft immer im Gegensatz zu der Melancholie und den Einsichten des Einzelnen: Hellen Keller in „The Miracle Worker" (1962) oder Harry Moseby in „Night Moves" oder „Little Big Man" mit Dustin Hoffmann, (1970): sie alle wissen zuviel über die anderen, um einfach so weitermachen zu können. Dieses Wissen macht sie einsam.
Penn hat sich gern amerikanischen Themen gewidmet und sie zersägt, z.B. als er in „Little Big Man" die alten Westernmythen, die bedeutungsschwangere Welt von Cowboys und Indianern zerlegte und vor allem bei der Darstellung der Indianer auf verklärende Lagerfeuerromantik verzichtete. Wer will, der erkennt in "Little Big Man" auch eine Kritik an der Pionier-Kriegsführung der Amerikaner in Vietnam, die in einer erbärmlichen Symbiose aus narzistischer Kraftüberschätzung und tumben Sadistentum viel Schaden und Leid verursachte. (Mit Blick auf das Treiben einiger GIs im Irak darf man die Lektionen von damals als offenbar NICHT gelernt betrachten.)

Doch nochmals zurück zum bahnbrechenden „Bonnie & Clyde", der allein schon für eine Ehrung reichen würde: Penn wollte damals „dass sie Leute sehen, was sein Schuss mit einem Körper macht" und hat sich gehörigen Ärger eingefangen, als er in der Schlussszene die Körper der beiden Outlaw-Hipster mit ihrem großen Lebenshunger von der Polizei (das "System", die "Squares") in einem Art Zeitlupenballett zersieben lässt. Die Sittenwächter konnten außer der drastischen Gewalt gar nicht genau sagen, was sie daran störte. Es war wohl der Subtext aus Anarchie, Ungehorsam und Leidenschaft, der ihnen Angst machte und „gesellschaftliche" Werte zu bedrohen schien.
Der im Nouvelle Vague Stil mit Zeitlupen, Unschärfen, sprunghaften Schnitten und Tonausblendungen inszenierte Film wurde ein riesiger Erfolg beim Publikum, das die Anti-Establishment Haltung sehr mochte. Die Kritiker lobten ihn dann etwas später ebenfalls als eine gelungene Mischung aus „europäischer Ernsthaftigkeit und neuer filmischer Methoden" gemischt mir uramerikanischen Themen und Mythen. 10 Oscar Nominierungen folgten, Warren Beatty und Faye Dunaway begannen ihre Weltkarriere. Aber viel wichtiger war die Funktion des Films als Türöffner für ganz neue Art Filme zu machen und Themen zu finden. "New Hollywood" war geboren und Arthur Penn darf man wohl mit Funk und Recht als Geburtshelfer dieser Ära bezeichenen und seine Werke als Musen für eine ganze Reihe grandioser Filme in den späten 60ern und frühen 70 Jahren. Ein würdiger Preisträger. Auf die Wiederbegegnung mit seinen Filmen auf der Berlinale dürfen wir uns freuen!

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