"World Trade Center" von Oliver Stone

Nachdem ich zwei Stunden lang mit Nicholas Cage und Michael Paeña (u.a. "Crash") mitgefiebert habe, erwartet mich im Foyer des Kino Kursaal eine befreiende Perspektive.

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Hello World! Welcome back! Ich bin erleichtert, aufgewühlt, vielleicht auch ein wenig wütend. Wieder einmal hat Hollywood mit allen Tricks mein Mitgefühl gelenkt. Es ist wie ein hypnotischer Sog, dem man sich nicht widersetzen kann. Dabei möchte man sich von dem Pathos und dem Patriotismus den “World Trade Center” transportiert nicht vereinnahmen lassen.

Ansonsten ist “World Trade Center” vor allem eines: ein gelungener Katastrophenfilm. “Poseidon”, “Titanic”, “The Day after tommorow”, “World Trade Center”...die Grundzutaten ähneln sich. Der Unterschied liegt hauptsächlich im Erfahrungshintergrund des Kinozuschauers. Keine andere Katastrophe der letzten Jahre hat sich so so stark im kollektiven Gedächtnis festgesetzt wie der 11. September. Gut hat es “World Trade Center” in jedem Fall getan, sich nur auf zwei (wahre) Einzelschicksale zu konzentrieren. Es stellt klar, dass es keinen repräsentativen Film über ein Ereignis wie den 11. September geben kann.

Morgen wird Oliver Stone im Velodrome seinen Film zu präsentieren und aller Voraussicht nach auch eine Pressekonferenz geben. Auf die darf man gespannt sein, denn der Patriotismus im Film hat, wie durch vereinzelte Pfiffe nach Ende der Vorstellung zu hören war, nicht allen gut gefallen.

Kommentare ( 2 )

ich pack hier mal den Text rein, den ich mir nach dem Film von der Seele schreiben musste. Wat n Scheiss dieser Film...
Ich bin mir sicher, dass wenn dieser Film nicht von Oliver Stone, sondern von irgendeinem Regisseur gemacht worden wäre, der bisher nur mit Kriegsfilmen und Familienkomödien auffiel, so wäre der Film gnadenlos verrissen worden. Ich hoffe es zumindest.
Ich habe den Film ebenfalls mit Goodwill gesehen – ist ja ein Oliver Stone – der wird schon sein Ding machen, dachte ich. Ich mag die alten Stone Filme, bin begeistert gewesen von Platoon und auch dem seltsamen U-Turn.
Aber nach dem starken Beginn, von WTC, ohne Musik, die Stille, die Bilder eines beginnenden Tages, die erwachende Stadt (auch wenn auch kein besonders neuer Einstieg in eine New York Story ist), der knurrige Nicholas Cage. Erst als die elegische, engelstrompetenhafte Musik zum ersten Mal einsetzte und dann die erste Zeitlupe kam, wurde ich stutzig.

Vegleicht man WTC mit Flug 93, dem anderen 9/11 Film dieses Jahr so will Flug 93 gerade nicht die typischen amerikanischen Heldenfiguren schaffen, sondern Menschen, anonyme Menschen, zeigen, die in einer auswegslosen Situation sehr mutig handelten. Flug 93 ist gerade kein starke-Männer, Pro Family, Fahne und Amerika Film wie WTC. Flug 93 ist wirklich ein Film über den Terror und die schreckliche Zufälligkeit mit der er seine Opfer findet. WTC dagegen bedient sich lediglich der inzwischen allgemeingültigen Interpretation von Kämpfern gegen das Böse und mutigen Patrioten, die den 11. September zu einem Tag machten, der wie Stone sagt „schrecklich war, aber das Gute in den Menschen hervorbrachte.“ Und so ist er dann auch gnadenlos durchstrukturiert.

Der zweite Teil von WTC, ist eine einzige, mit Weichzeichnerlinse abgefilmte Norman Rockwell Klischeewelt der amerikanischen Mittelklasse mit Häuschen, Deckchen auf den Couchtischen und Basketballkorb über der Garage, wo vier Generationen einander lieb haben und in schweren Zeiten zusammenstehen. Maria Bello als Ehefrau ist geradezu ein Abziehbild der All-Amercian-Wife: Blond, gutaussehend, selbständig, hält Haus und Familie am Laufen. Was auf uns wie ein Klischee wirkt, ist für den amerikanischen Zuschauer die perfekte Welt, in die an diesem 11. September „das Böse“, mit (dem Verweis auf die Offenbarung des Johannes im Film eindeutig Bezug nehmend) eindrang.
Die beiden Frauen der Verschütteten sind nicht mehr als Abziehbilder wahlweise hysterischer oder niedergeschlagener Ehefrauen, die sich am Ende wieder glücklich an der Seite des starken Ehemannes (den seine Erfahrung „unter Tage“ auch zum guten Ehemann machte) einreihen. Weil die Beiden andauernd in von warmen Licht durchdrungenen Bildern angebetet werden, in den Sehnsüchten der Männer wie makellose Engel erscheinen, sind sie so unfassbar langweilig und glatt, dass ich einen Moment glauben wollte, Stone habe auf diese ganz subversive Weise versucht, das Klischee von Familie und Eheglück überzuerfüllen und es damit zu zerstören. Leider nicht.

Dann die unerträglichen Traumsequenzen der Frauen und der eingeklemmten Männer: Diese Family-Rules!-Propaganda wird nur noch übertroffen, durch die fast Eisensteinschen Suggestions-Schnitte auf das Kreuz und die „Offenbarung des Johannes“, die dem ziellosen Marine wieder eine Mission geben, die ihn nach der Rettung an Ground Zero bis in den Irak führt. Kreuz, Buch, Mission, Errettung/Erlösung, dies ist die Reise des Soldaten. Er ist der fleischgewordene Militärheld und meilenweit entfernt von dem desillusionierten Helden in Plattoon, der die Sinnlosigkeit des Krieges erlebt. Dieser Mann und die Art, wie er im Film maulfaul und sozialpathologisch loszieht, seine Bestimmung zu finden, könnte auch leicht zum „Taxi Driver“ werden (Ein versteckter Hinweis auf Stones Haltung zum patriotischen Mainstream, gegen den er sich immer gewehrt hat? Wer weiß.).
Könnte es sein, dass diese seltsame Verbindung aus 9/11 und Irak, zusammen mit den uramerikanischen Werten Religion, Familie, Pflichtbewusstsein, Durchsetzungswille, Armee und Patriotismus den Film bei den Konservativen so gut ankommen lassen? Werte, die aber inzwischen auch die Demokraten aus der Not heraus vertreten, weil sie sonst nie wieder den Präsidenten stellen werden.
Und dann der Knaller des Films: der leibhaftige Jesus mit glühendem Herzen tritt aus dem Licht. Die Leute im Kino schwankten zwischen Lachen und Erschütterung. Die Rettung naht.
Am Ende gibt es ein großes Umarmungs-Freudenfest, die Rückkehr der humpelnden Wiedergeborenen; und dann sogar noch ein Monolog aus dem Off, damit auch wirklich alle kapieren, was die Botschaft des Filmes ist. Diese nationalreligiöse Drehbuchschulen Laubsägenarbeit als großartigen Film zu bezeichnen, wie manche Rezensenten, finde ich wirklich tragisch.
Die Jesus kommt aus dem Licht Szene, die unfassbar elegische Schmalzmusik, den ins Groteske überzeichneten Mythos vom anpackenden amerikanischen Mann (ihr Führer: George Bush, dessen Ansprache ja auch den Staff Sergeant in den „Krieg“ ziehen lässt), die Kitschwelt perfekter Ehefrauen – das alles ist so schmierig, dass mir die Luft wegbleibt. Der Film hatte seine Momente und ein paar beeindruckende Bilder – ohne Frage – aber DAS 9/11 Meisterwerk ist er ganz bestimmt nicht. Eher eine Rückversicherung für die Heimatfront in den USA: Männer, alles richtig gemacht! God bless America....

Ich glaube dir hat der Film nicht gefallen ;)
Du hast vergessen zu sagen, dass der Jesus dem Verschütteten im Traum eine Plastikflasche mit Wasser reicht, was den Pathos dieser Szene bricht. Als 9/11 Meisterwerk sehe ich den Film genauso wenig wie eine Legitmation des Irak Krieges (siehe Artikel zur Pressekonferenz). Ich würde ihn wie gesagt auch nicht mit anderen 9/11 Spiel- oder Dokumentarfilmen vergleichen, sondern vielmehr mit "The day after tommorow", "Titanic" oder "Airport". Er ist ist genauso gut und genaus o schlecht wie diese, einschliesslich der Darstellung der amerikanischen Mittelklasse.

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Titel

Orignaltitel

World Trade Center

Credits

Regisseur

Oliver Stone

Schauspieler

Maria Bello

Nicolas Cage

Stephen Dorff

Maggie Gyllenhaal

Michael Peña

Drehbuch

Kamera

Seamus McGarvey

Schnitt

David Brenner

Julie Monroe

Musik

Craig Armstrong

Land

Flagge Vereinigte StaatenVereinigte Staaten

Dauer

129 min.

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