Bei Filmfestivals stellen einem die Vormittagsvorstellungen immer vor die härteste Probe. Die Zeit zwischen Wach werden und dem ersten Glitzern auf der Leinwand beträgt oft weniger als eine halbe Stunde und der vorherige Abend spielt in diesen Vorstellungen immer eine kleine Nebenrolle.
So auch heute morgen. Für einen schnellen Café hat es immerhin noch gereicht. Die gute Nachricht war dann, dass "Vete de mi" mir den Vormittag nicht unnötig schwer gemacht hat.
Victor Garcia León hat einen leicht verdaulichen Film gemacht über die Midlifecrisis des 55-jährigen Theaterschauspielers Santiago (Juan Diego), ausgelöst durch den Besuch seines 30- jährigen Sohns Guillermo (Juan Diego Botto), der sich plötzlich beim Vater einquartiert. Der Vater ist über den plötzlichen Besuch seines in den Tag lebenden Sohnes nicht sonderlich erfreut ("Vete de mi" heißt zu deutsch "Geh mir vom Leib") und versucht ihn so schnell wie möglich wieder lozuwerden. Santiago überwirft sich schließlich mit seinem Sohn und als Folge auch mit seiner Lebensgefährtin. Durch diese dramatische Entwicklung offenbart sich dem 55-jährigen sein Leben als eine verdrängte Lüge. Das tägliche Auftreten in einem Boulevardtheater vor Rentnerpublikum ist für ihn keine Erfüllung, sondern die Kränkung eines dem klassischen Drama verschriebenen Schauspielers. Als er sich in seinem Frust betrinkt, angetrunken Frauen im Alter seines Sohnes anbaggert und am Ende in einem Bordell landet, dann wird nicht nur dem Sohn mulmig sondern auch mir als Zuschauer. Während "Vete de Mi" zu Anfang noch als locker, leichte Kömödie überzeugen kann, verstärken sich gegen Ende immer mehr die Peinlichkeitstendenzen. Da bin ich froh, dass der Film über sein eigenes Ende kein großes Aufhebens macht und ich mich bald darauf unter blauen Himmel umweht von einer frischen Meeresbrise wiederfinde.