Wettbewerb: "Sehnsucht" von Valeska Grisebach

Epische Liebe in Brandenburg

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Die Geschichte ist bekannt: Ein Mann und eine Frau lieben sich seit langem. Dann verliebt sich der Mann in eine andere. Die Filmemacherin Valeska Grisebach hat ihren Hauptdarsteller irgendwo im Brandenburgischen "beim Schuhe zubinden" gecastet. Schauspielerfahrung hatte er vorher keine. Das ganze Ensemble von "Sehnsucht" besteht aus Menschen, die keine Profis sind. Die Idee ist klar: Große Gefühle passen eigentlich nicht zum wortkargen, nüchternen Menschenschlag in Brandenburg. Oder doch?

Bewusst mischt Grisebach poetische Bilder und Sätze wie "ich begehre dich" mit dokumentarischen Elementen und der Lakonie der Menschen vom Land. Im Spannungsfeld von (angenommener) Natürlichkeit und poetischer Überhöhung soll etwas Besonderes entstehen. Manchmal funktioniert das Experiment sogar. Aber über weite Strecken hinweg eben auch nicht.

Eine Szene zu Beginn zeigt, wie dieses besondere Etwas aussehen könnte. Hauptfigur Markus, Schlossermeister und freiwilliger Feuerwehrmann, hat gerade einem Menschen das Leben gerettet, der gar nicht gerettet werden wollte, und nun macht er sich Gedanken über das Leben und den Tod. Mit kleinen Gesten am Stammtisch wird deutlich, dass der Markus sonst zwar einer ist, den alle mögen und der dazugehört, dass er jetzt gerade aber den Kopf ganz woanders hat. Und dann tanzt er selbstvergessen zu "Feel" von Robbie Williams – dem vertonten Sehnsuchtsgefühl.

Es gibt so Situationen, in denen man sich wie "der Star im eigenen Leben" fühlt, sagt Valeska Grisebach auf der Pressekonferenz zu dieser Szene. Und damit trifft sie den Nagel auf den Kopf. Da, in dieser Szene geht das Konzept auf - und zwar gerade weil die Kluft zwischen der Welt von Medienstar Robbie Williams und der Welt der Figur Markus zuvor fühlbar gemacht wurde.

Schön sind auch die vielen kleinen Momente, in denen der trockene Humor und der etwas ungelenke Witz der Brandenburger zum Tragen kommt. Zum Beispiel beim Vortrag des Opas über die Vorzüge von Lindenholz fürs Schnitzen. Allzu oft überschreitet diese gewollte Authenzität aber die Grenze zwischen eigen und hölzern, und immer wieder spürt man, wenn den Schauspielern die Worte in den Mund gelegt wurden. Manchmal wirken die Figuren – bei den drei Hauptdarstellern in erster Linie die Frauen - nicht wie Stars, sondern wie Statisten im eigenen Leben, und es ist nicht anzunehmen, dass dies bewusst geschieht und irgendwie als Medienkritik gemeint ist.

Was mich besonders gestört hat, war der Bruch zwischen der behaupteten und der gefühlten Bedeutung der Geschichte. Der Rahmen ist groß angelegt, nicht über die stilbewussten Einstellungen: Narrative Motive rund um Liebe und Tod und archaische Fragen über die letzten Dinge sind sehr bewusst in die Handlung eingewoben. Nur muss dann am Ende eine Gruppe von Kindern Zeugnis darüber ablegen, dass hier wirklich eine große Geschichte geschehen ist, über die man noch lange reden wird. Sonst hätte es vielleicht keiner gemerkt.

Kommentare ( 1 )

Interessant, dass ich das Foto mit ihr und der Krone in meinen Text gebastelt habe und das von ihm.

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Titel

Orignaltitel

Sehnsucht

Englischer Titel

Longing

Credits

Regisseur

Valeska Grisebach

Schauspieler

Annett Dornbusch

Andreas Müller

Ilka Welz

Land

Flagge DeutschlandDeutschland

Jahr

2005

Dauer

90 min.

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