Im Glashaus
Wie bereits der Titel "Nachbeben" vermuten lässt, setzt die Regisseurin Stina Werenfels mit der Handlung ihres Films an einem Zeitpunkt ein, an dem die ganz grossen Katastrophen im Leben der Hauptfiguren bereits passiert sind: Der Investment Banker HP hat durch riskante Transaktionen sein gesamtes Vermögen verloren. Seine Luxusvilla am Züricher See steht bereits im Internet zum Verkauf. Er selbst kann die Fassade des coolen, alles kontrollierenden Machers nur noch mit Hilfe von Psychopharmaka aufrecht erhalten. Seine Frau ahnt zwar vieles, sie tut aber ihrerseits alles, um den schönen Schein nach aussen hin zu wahren. Ansonsten hilft ihr im hier und jetzt der Alkohol und der Traum von einer späten Karriere als Innenarchitektin. Es ist ja auch noch alles da: das Traumhaus mit Traumgarten, die Designermöbel und sogar ein hübsches, blondes Au-Pair Mädchen aus Schweden.
Als letzten Rettungsversuch arrangiert HP einen Grillabend für seinen Chef und dessen hochschwangerer Frau. Wie dieser Abend nach und nach eine verheerende Eigendynamik entwickelt und schliesslich im entgültigen gesellschaftlichen Overkill für HP mündet, dies erzählt Stina Werenfels in ihrem beeindruckenden Film, der von Minute zu Minute eine immer stärkere Sogwirkung auf den Zuschauer entfaltet. Durch die Konzentration auf einen Ort und einen Abend und durch eine herausragende Kameraführung mit faszinierenden Close-Ups entsteht eine kammerspielartige Atmosphäre, der man sich nur schwer entziehen kann. Kein Film, nach dem man gut gelaunt das Kino verlässt, aber ein Film, den man so schnell nicht vergisst.