Panorama: Absolute Wilson von Katharina Otto-Bernstein

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Wenn Ihr immer das Ende einer Kritik lest, erspart euch das Scrollen: Ihr müsst den Film unbedingt sehen. Sicherlich steht das in jedem zweiten Artikel über dem Film: „Absolute Wilson“ ist ein faszinierendes Porträt über einen faszinierenden Künstler. Ihr kennt Robert Wilson nur vom Hören und Sagen? Um so besser. Eine bessere biographische Einführung in das Leben von „Bob“ Wilson kann ich mir nicht vorstellen.

Katharina Otto-Bernstein hat Archivmaterial, von dem man nicht mehr wusste, dass es existiert, verbunden mit der Story Wilson aus dem Munde von Wilson. Die Freundschaft zwischen der Regisseurin und dem Theatermeister, schlägt über von der Leinwand in den Kinosaal. Man glaubt selbst Freund von von diesem kreativen und unglaublich symphatischen Mann zu sein.
Der Film beleuchtet insbesondere die Phase vor Wilsons grossem Durchbruch in den USA mit „Einstein on the beach“. Die 80er und 90er bleiben fast völlig ausgespart (aber es wird eine acht stündige (!) Version des Films geben).
Wir haben teil an der Jugend, dem frühen Erwachen des künstlerischen Impulses, den herben Niederlagen, dem Konflikt mit seinem Vater, die Entdeckung des Körpers und Wilsons Gabe Menschen in einem Kunstprojekt zusammenzuführen. Namen, mit denen er zusammenarbeitet oder mit denen er verbunden ist, lassen die Ohren klingen: Luis Aragon, Susan Sonntag, Heiner Müller, Tom Waits, William S. Boroughs und natürlich Philip Glass. So wichtig uns diese Menschen erscheinen, viel wichtiger für die künstlerische Entwicklung Wilsons waren zwei Kinder: auf der einen Seite der taubstumme Raymond, den er auf der Strasse findet, als die Polizei auf das schwarze Kind einschlägt, und der geistig behinderte Christian, von dem Wilson sagt, er sei der Mensch, in dem er sich am meisten wiedererkennt. Der Blick auf Wilson ist freundschaftlich, aber nicht unkritisch. Wir sehen auch den Wilson, der auf der Bühne herumschreit, wenn die Schauspieler mal nicht so wollen wie er, und wir er mit „Civil Wars“ einem Theaterstück zur Eröffnung der olympischen Spiele, dass auf sechs Kontinenten aufgeführt werden sollte, an seine Grenzen stösst.
Nach dem Film kommt Wilson mit Katharina Otto-Bernstein nach vorn. Er ist bewegt. Er hat noch einmal sein Leben als einen grossen Baum gesehen, als ein grosses Projekt. Er ist noch immer verletzt, dass er im eigenen Land nicht so anerkannt ist wie in Europa. In Berlin finden mehr Premieren statt, haben mehr Menschen seine Stücke gesehen als in New York City, wo er wohnt.
Wie Bob da steht, spüren wir seine jungenhafte Neugier, seine Offenheit für alle Ideen. Es bleibt Bewunderung für sein „Anything goes“, das vor nichts halt macht, auch nicht vor der Konzeption eines Eröffnungsaktes zur Fussball WM zusammen mit Herbert Grönemeyer.

Kommentare ( 1 )

Na gut. Für Leute, die Wilson nicht kennen, mag der Film interessant sein. Aber wer schon eine der anderen Dokumentationen gesehen hat, bekommt hier kaum neues Material zu Gesicht, und wer Wilson auf einer seiner Lecture-Performances gesehen hat, ist irgendwann seiner immer wieder gleichen Anekdoten und der bedeutsamen Wichtigkeite seines Sprache überdrüssig. Frech fand ich, dass sich "Absolte Wilson" dramaturgisch an der Doku zu "Civil Wars" bedient und dann Mitten in den 80er Jahren endetet. Der "Black Rider" musste als Appendix für Wilson und seine Arbeit der letzten Zwanzig Jahre herhalten (und der Gedanke drängt sich auf, dass einfach noch ein paar anderen Promis - Burroughs, Waits - gezeigt werden sollten). Ob für sein Leben gilt, was man ihm auch ästhetisch vorwirft - dass er sich seit Mitte der 80er Jahre nicht mehr weiterenwickelt hat? Total verpasst wurde die Möglichkeit, den "Meister" mal auf seine interessanten Widersprüche zu befragen.
Richtig ärgerlich ist diese ständige Dudelmusik im Hintergrund, das selbst die Szenen zu Wilsons 'stummen Stücken' zukleistert.
Und absolut unverständlich ist, warum nur us-amerikanische "Theaterexperten" zu Wort kamen, um über die Bedeutung von Wilsons Theaterarbeit zu sprechen, denn der Film ja nicht müde zu betonen, dass Wilson auf der ganzen Welt, nur eben nicht in den USA, Erfolg hat. Zu deutlich richtet sich der Film an ein amerikanisches Publikum, als dass er mir Spaß gemacht hätte. Zu deutlich verrät er seine Herkunft: eine Zweit- oder Drittverwertung von Wilsons genialer Medien- und Selbstinszenierung.

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Titel

Orignaltitel

Absolute Wilson

Credits

Regisseur

Katharina Otto-Bernstein

Schauspieler

David Byrne

Susan Sontag

Tom Waits

Robert Wilson

Land

Flagge DeutschlandDeutschland

Flagge Vereinigte StaatenVereinigte Staaten

Jahr

2006

Dauer

109 min.

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