Forum: "Montags kommen die Fenster" von Ulrich Köhler

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Die Thirtysomethings spielen erwachsen

Das Ehepaar Nina und Frieder renovieren ihr neu erworbenes Haus. Er kriegt die Fliesen nicht zusammen, die Tapete klebt zu fest an der Wand, dazu Dudelmusik aus dem Radio. Montag werden die Fenster geliefert, das soll der Schlussstein der Renovierung werden.
Es ist keine feindselige, sondern eine vom Alltag eingeschläferte Stimmung in diesem Film. Zwei Mittdreißiger versuchen sich festzulegen: Häuschen, Beruf, Familie. Aber irgendwie scheinen sie nur zu spielen, was erwartet wird. Dann haut Nina plötzlich ab.

Die Selbstverständlichkeit wird zerstört: Nina hat sich für die Renovierung Urlaub genommen, am ersten Renovierungstag verschwindet sie aber einfach, guckt noch einmal aus sicherer Distanz auf ihre Tochter und weg... Berghütte irgendwo im deutschen Mittelgebirge. Dort hat sich ihr Bruder mit seiner Freundin zurückgezogen, um seine eigen Beziehung wieder klar zu kriegen. Auf dessen Frage, was mit Frieder sei, antwortet Nina nur mit Schulterzucken. Dann: „Wir ficken aber noch, nicht dass du das denkst.“, sagt sie.
Das mag sein, ist aber auch schon alles, woran man die Beziehung der Beiden noch erkennt. Sie haben Beruf, ein Kind, ein Häuschen, ein Ehe aber in den Gesichtern, den Augen, da ist niemand mit niemandem zusammen. Was sie fühlen, zeigt sich auch nicht in den Dialogen, sondern in den leeren, lustlosen Gesten und Blicken. Nur wenn es nicht mehr zu vermeiden ist, gibt es ein sehr unleidenschaftliches verbales kurzes Scharmützel, die Stimmen erheben sie dabei kaum. Wenn doch mal Wut hochkocht, wird hilflos ein Fahrrad an den Baum gehauen und man geht wortlos davon.

In der Berghütte hören die drei Teilzeiteremiten Tonsteine Scherben, kiffen und reden wie Erstsemester über Politik. Kurz kann Nina sich einreden, sie sei auch noch so jung, wie ihr Bruder und dessen Freundin. Dann kommen Frieder und die Tochter. Um ihnen nicht zu begegnen, schleicht Nina in ein Hotel, lässt sich dort durch die Räume treiben, trifft auf eine surreale Schicki-Micki Gesellschaft in einer Tennishall, auf einen abgehalfterten, fetten Ex-Tennistar, der Nina ins Bett kriegen will. Dann folgt eine seltsame Szene: Nina nackt, lässt ihn endlich ran, aber nach ein paar Sekunden brechen sie ab, er bringt’s nicht mehr oder sie reizt ihn nicht mehr. Jedenfalls wortloses Ende.
Wechsel zu Frieder: Nina ist weg, aber er macht einfach weiter, saugt und renoviert, vögelt ein bisschen mit der Kindergärtnerin. Die Fenster, die montags kommen, gefallen ihm nicht. Er lässt sie nicht einbauen, das Haus wird zum Provisorium mit Plastikplanen über den Fensterhöhlen.
„Schön,“, sagt Nina als sie wieder da ist, „das ist ja wie im Zelt!“.
Frieder: „Ich will jetzt mit Maria (die Kindergärtnerin!) zusammen sein.“
Die beiden führen sich auf wie Jungs und Mädels in der 7. Klasse, wo man heute die und morgen die andere liebt und Zettel rumreicht: Willst du mit mir gehen? Ja? Nein? Vielleicht?
Pubertierende in erwachsenen Körpern sind die beiden Figuren in diesem Film. Leute, die nicht werden wollten wie ihre Eltern und es dann, wenn auch nur nach Außen, doch werden. Sie wären gern noch jung, um so ihre Unentschiedenheit zu rechtfertigen. Aber alle Freude und Leidenschaft eines jugendlichen Suchens und Probieren ist bei ihnen versiegt. Sie langweilen sich mit sich selbst in ihrem Leben. Und dann geht plötzlich auch der Sex nicht mehr: In der Schlussszene versuchen Frieder und Nina es im Auto, hinter der Friedhofsmauer. Ganz „franzosenfilmmäßig“ hält sie seinen Schwanz in der Hand, der nicht hart wird. Ende.
Und dann warten sie wohl doch auf die Fenster.

Seltsam, bedrückend, aber gut dieser Film.

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Titel

Orignaltitel

Montag kommen die Fenster

Englischer Titel

Windows On Monday

Credits

Regisseur

Ulrich Köhler

Schauspieler

Amber Bongard

Isabelle Menke

Ilie Nastase

Trystan Wyn Pütter

Ursula Renneke

Elisa Seydel

Hans-Jochen Wagner

Land

Flagge DeutschlandDeutschland

Jahr

2006

Dauer

88 min.

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