Wettbewerb: Tian Bian Yi Duo Yun (The Wayward Cloud) von Tsai Ming Liang

Taiwan, China, Frankreich 2004 * Regie/Buch: Tsai Ming Liang Darsteller: Shiang Chyi Chen, Kang Sheng Lee, Yi Ching Lu, Sumomo Yuzakura

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Dieser Film hat ganze 112 Minuten gedauert, fällt in die Kategorie Musical/Comedy/Drama (imdb.com) und verleitet Berliner Boulevardblätter zu sagen, die Berlinale hätte sich in die “Sexinale” verwandelt. Wo beginne ich nur… Man hätte sich wohl Tsais vorhergehenden Film ansehe müssen, „What Time is it there?“ (2001), denn sonst weiß man sicher nicht, dass die Hauptfigur Shiang-Chyi aus Frankreich zurückkehrt, dass sie die andere Hauptfigur Hsiao Kang kennt, der einmal am Hauptbahnhof Uhren verkauft hat. Die Hauptpromenade, an der er stand, ist abgerissen, und sie kann ihn nicht mehr dort finden. Soweit in der Zusammenfassung des offiziellen Berlinale Programms.

Verdammt, diesen Anfang habe ich ja gar nicht gesehen! Ich habe nur scheinbar ziellos umherirrende einsame Menschen in der leeren Millionenstadt Taipei gesehen. An einer Stelle setzt sich die Frau einfach zu einem schlafenden Mann an eine Kinderschaukel, der sie anlächelt, als sie aufwacht. Dann nimmt sie ihn gleich mit in die Wohnung.

Und da gibt es noch die Pornoszenen. Ja, der Uhrenverkäufer ist Pornodarsteller geworden. Wenn man ganz konzentriert aufpasst, sagt Shiang-Chyi an einer einzigen Stelle, „Verkaufst du keine Uhren mehr?“ Und er sagt nichts, wie im ganzen Film nicht. Irgendwann kommt sie dahinter, denn es wird gleich nebenan gedreht.

Viel Symbolik: Wassermelonen, Wassermangel und Dürre in der Sommerhitze Taipeis, eiskaltes reines Wasser in durchsichtigen Plastikflaschen in Shiang-Chyis Kühlschrank, ein Koffer, der nicht aufgeht, ein Schlüssel, der im Asphalt fest eingewalzt wurde, eine japanische Pornodarstellerin, die sich im vollen Lift auszieht, weil sie Ameisen am Körper hat. Sonst sind die Lifte immer leer, die Gänge leer, die Wohnungen karg und unbewohnt. Alles wirkt kalt trotz der unerträglichen Hitze. Es ist eine Entfremdung und Rückzug in ein kleines Mikrokosmos von Einsamkeit. Stille durchzieht den Film, viel Text musste niemand lernen, eigentlich sagt Hsiao Kang nicht ein einziges Wort im ganzen Film, die Japanerin stöhnt viel und sagt einen einzigen Satz. Die gedrehten Pornoszenen wirken routinehaft, alltäglich und auf keinen Fall schmutzig oder anrüchig – seltsamerweise. Kleine Pannen lassen diese äußerliche Nacktheit ganz normal erscheinen. Es steckt sogar Witz in den meisten Szenen, ohne die Figuren der Lächerlichkeit preiszugeben oder bloß zu stellen. Und plötzlich, als wäre die Filmhandlung in Theaterakte gegliedert, durchbrechen bunte, laute Musikszenen die Stille. Jede Figur singt sein Liedchen in Shanghaier Chansonmanier der 30er und tanzt wie im Musical – fast losgelöst vom eigentlichen Film, würde man schnell genug die Untertitel durchlesen und sehen, ah! es handelt sich doch immer noch um den gleichen Film, sie singen ja darüber!

1997 hat Tsai Ming Liang mit „Der Fluss“ den Silbernen Bär gewonnen. Und dieser Film? Es ist ein Kunstfilm. Wie eine lange Videoinstallation. Der Film plätschert hin und endet mit einem Höhepunkt – sozusagen. Was wollte uns der Regisseur sagen? Dass man mit Wassermelonen Frauen leichter verführen kann? Dass in meiner Nachbarswohnung Pornofilme gedreht werden könnten? Dass Wolken eigensinnig sind und nicht regnen wollen, auch wenn man zu ihnen betet? Keine Ahnung. So verlasse ich das Kino genauso ratlos wie all die anderen Zuschauer, war er witzig oder war er anrüchig oder war er symbolisch oder war er mutig oder lag das an der französischen Koproduktion oder waren die Untertitel schlecht übersetzt oder…

Kommentare ( 1 )

Ich finde japanerin sexy

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