Gespenster von Christian Petzold

Regie: Christian Petzold * Darsteller: Julia Hummer, Sabine Timoteo

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Ein leichter, schwerer, schöner Film

Zwei Mädchen, eines aus dem Heim, das andere klauend und streunend, lernen sich in Berlin kennen. Vierundzwanzig Stunden eines Sommertag lang bewegen sie sich in Kreisen durch Seitenstraßen des Potsdamer Platzes und durch den Tiergarten. Gleichzeitig führt ein zweiter Erzählstrang ein Paar aus Frankreich ein, das für kurze Zeit in Berlin sind, wo sie vor vielen Jahren ihre Tochter als Dreijährige vor einem Supermarkt verloren haben.
Drei Personen lassen sich von der Möglichkeit von Nähe verführen. Sie öffnen sich je für ein paar Stunden, soweit sie können. Sie zeigen in dieser Zeit Loyalität, legen Zärtlichkeit und Schönheit offen, trotz aller Bedrohung und aller Rückschläge und ohne Garantien für die Zukunft.

Nach dem Film erzählte Christian Petzold, eine Inspiration für den Film sei «Der schöne Sommer» von Cesare Pavese gewesen: ein Roman, der von zwei Proletariermädchen erzählt, die in die Boheme Roms eintauchen, dort mit einem Leben in Leichtigkeit, Sexualität, Party infiziert werden, und im folgenden Winter, als die Boheme ohne sie weiterzieht, sterben. Obwohl ich dieses Thema nicht als Zentrum des Filmes gesehen habe, glaube ich, dass der Film viel seiner Frische aus dieser fein dargestellten Infizierung gewinnt.

Der neue Film von Christian Petzold ist ein schöner Film. Er schafft es von Anfang bis Ende die Spannung zu halten, mehr durch Intensität denn durch Geschwindigkeit oder Plot. Der Film nimmt sich Zeit für Bewegungen und Gesten, er bleibt da, ohne den Rhythmus der Handlung zu überspannen.
Trotz allem enthaltenen Elend und Scheitern ist es ein Film, der seine Zuschauer eher verführt als quält. Er wirkt entspannter und leichter als frühere Filme von Christian Petzold ohne dabei an Brisanz einzubüßen. Die Kamera folgt liebevoll den Protagonisten. Aus ihren Gesten entwickelt eine Spannung, die sich ohne Reibungswiderstand in Ereignisse umsetzt. Die Liebe des Filmes zu den Figuren und zu den Schauspielerinnen (Männer kommen in diesem Film nur am Rande vor), zeigt sich auch in der Weigerung zuviel preiszugeben. Diese unbedingte Liebe und dieser volle Respekt vor den Figuren unterscheidet den Film von fast allen Filmen, die ähnliche Jugendfiguren aus sozialen Randbereichen abbilden.

Die lange Aufmerksamkeit, die Einfachheit des Plots, der trotzdem mehrfach überrascht und das große Vertrauen in Figuren, Dialog und Schauspieler, machen diesen Film zu einem großen Schauspielerfilm. Der Film ist durchgehend hervorragend besetzt. Die beiden Hauptfiguren bilden ein gegnsätzliches und überzeugendes Paar. Julia Hummer als Nina haut einen genauso um wie Sabine Timoteo als Toni.

Als ich aus dem Kino komme, möchte ich Filmemacherin werden, damit ich auch solche Filme machen kann. Mehr kann ein Film nicht schaffen.

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