Feten und gefetet werden

Kleines Fernsehspiel/ großes Gedränge

Der Mann schleicht durch den Schnee wie ein Schwarzmärktler in „der dritte Mann“. Seine Ware: Eintrittskarten für den Empfang des „ZDF kleines Fernsehspiel“. Ich frage, ob er auch Karten für das WM-Endspiel hat. „Das ist das WM-Endspiel, Mann!!“ raunt er mir zu.

Wer sich nicht für Einladungen zu den etlichen Partys und Empfängen interessiert, der interessiert sich auch nicht für Geld. Denn diese Einladungen, Platzierungen auf Gästelisten und „Ich kenne jemanden der jemanden kennt, der schon drin ist“-Informationen sind neben Filmen im Berlinale Programm an denen man beteiligt ist und gottgegebenen gutem Aussehen, die einzige handelbare Währung des Festivals und damit des deutschen Kinos. Oder einfacher: Wer sich nicht dafür interessiert, hat keine Einladung. Wer sich nicht dafür interessiert, muss Filme gucken.
Natürlich sind diese Veranstaltungen in ihrer Großartigkeit durchaus zu übertreffen. Aber es gibt üppig zu essen, ebenso zu trinken, es gibt Gedränge, Lärm und man trifft immer jemanden, den man kennt, der jemanden kennt, der einem dann vorgestellt wird. Dann hört man, was andere gerade für ein Projekt ins Leben rufen (an dem man nie nie nie teilhaben wird) oder warum der und der dies und das nicht kann, ein Arsch ist, unsympathisch, unliebenswert etc (durchaus zu übertreffen). Denn das Filmgeschäft unterscheidet sich von anderen, durch eine manchmal schlicht ordinäre Offenheit.
Noch beliebter in diesem riesigen „Wir über uns“ ist allerdings das schlichte Vergleichen der einzelnen Veranstaltungen. „Warst du auch bei hmhmhm??“ – wer so fragt, fragt rhetorisch und erzählt dann, was man verpasst hat.
Ich hoffe nicht falsch verstanden zu werden. Diese feucht-fröhliche Nullkommunikation hat letztlich eine feste betriebswirtschaftliche Funktion im Business. Denn erst, wenn der Motor durch Sponsorenbier und –wein einigermaßen auf Touren ist, werden neue Projekte ins Leben gerufen. So etwas passiert sonst nur bei Künstlers im Schreibstübchen (werden nie realisiert), an Filmhochschulen (will keiner sehen) und eben auf Partys (klassische Ursprungsmythos-Anekdote, die man dann bei Kerner oder Beckmann zu hören bekommt).
Das kleine Fernsehspiel des ZDF ist ein solcher Ort für Ursprungsmythen. Darum verzeiht man den Veranstaltern, dass sie nicht ein paar öffentlich-rechtliche Groschen mehr in den Veranstaltungsort investiert haben, dass es Bier nur in schwer zugänglichen Ecken gibt, als handele es sich um Bückware und das Buffet in einem Durchgang aufgebaut ist. Denn das alles gehört dann später zum Mythos. Sollte ich zum Beispiel eine Karte für das WM-Endspiel Anfang Juni 2006 in Berlin bekommen, werde ich in meinen Ursprungsmythos die Fete des kleinen Fernsehspiels einflechten und versuchen im Jahr darauf, ein entsprechendes Filmprojekt ins Leben zu rufen.
So, ich muss dann auch los.

Kommentare ( 2 )

MIIIR hast du von der Party nichts erzählt, willst wohl an mir vorbei ideen haben...chr

Wahre Worte, dafür spricht auch das durch Dauergebrauch kreativitätssteigender Mittelchen auf ebensolchen Events hervorgerufene Nasenbluten des Insiderschnösels im Sitz neben mir während "Keine Lieder über Liebe". Vermisse hierzu eine Rezension, handelt es sich doch bei euch um die prototypische Zielgruppe einschlägiger Kappellen der Hamburger Schule.

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