Forum: "Arlit - deuxième Paris" (Arlit, the Second Paris) von Idrissou Mora-Kpai

Benin, Frankreich 2005 Regie: Idrissou Mora-Kpai * Drehbuch: Idrissou Mora-Kpai * Kamera: Jacques Bessé * Schnitt: Vera Memmi

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„Arlit. Das zweite Paris“ so lautet der zweite lange Dokumentarfilm und diesjährige Beitrag zur Berlinale von Idrissou Mora-Kpai, der 1967 in Benin geboren wurde. Arlit ist die Stadt in Nigeria die Mora-Kpai auf seinem Weg von Afrika nach Europa durchquert hat und in der er einen Mann aus seiner Heimat traf. Jahre später ist er nun mit diesem Mann nach Arlit zurückgekehrt um ein Porträt dieser ungewöhnlichen Stadt zu filmen. Das alles erzählt der Regisseur zu großen Freude der Zuschauer in fließendem Deutsch, denn eigentlich sei er ja ein Berliner, weil er fast 11 Jahre lang in Berlin gelebt und studiert hat.

„Arlit“ ist ein langsamer Film, ruhig, ohne Hektik und mit Liebe zu kleinen Details zeigt er Bilder aus einer staubigen, öden Stadt, einer fremden Welt in der nur die wenigsten Menschen Arbeit haben, seit die große Uranmine vor der Stadt nicht mehr gewinnbringend ist. Arlit ist eine verschwindende Stadt, eigentlich schon eine verschwundene Stadt. Das „schöne Arlit“, jenes, das zu den Hochzeiten des Uranbergbaues existiert hat, in dem jeder Arbeit hatte, viele Europäer wohnten und das von vielen Afrikanern als jenes „zweite Paris“ bezeichnet wurde, existiert nur noch in den Erinnerungen der Porträtierten. Schon die Bardamen, die nichts zu tun haben, weil niemand ihr Lokal besucht, weil sie auch gar nichts haben, was sie verkaufen könnten, kennen jenes Arlit nur noch aus Erzählungen. Trotzdem sind sie aus Togo hierher gereist und bleiben - aus welchen Gründen auch immer - dort.

Arlit ist ein Film über Migration, über Massenarbeitslosigkeit und die unglaubliche Skrupellosigkeit, mit der die radioaktive Vergiftung der Bevölkerung in Kauf genommen und verleugnet wird. Man kann dem Film zu Recht, wie dies ein Zuschauer formulierte, vorwerfen, sich nicht entscheiden zu können zwischen dem Porträt einer verschwindenden Stadt und der Anklage einer menschenverachtenden Bergbauindustrie. Aber, so Mora-Kpai, eine Anklage sei nicht seine Intention gewesen. Ohnehin sei es in Nigeria schwierig, den Uranabbau zu thematisieren, wie eine französisches Filmcrew zwei Wochen zuvor erfahren musste, als ihnen auf dem Flughafen die Einreise spontan verweigert wurde. Überhaupt davon berichten zu können, sei ein Erfolg, auch wenn eine scharfe Anklage auf diesem Weg nicht stattfinden könne, so Mora-Kpai. Und so fügen sich die beiden Teile zusammen zu einem ebenso fremdartigen wie verstörenden Porträt einer modernen, afrikanischen Stadt. Und wahrscheinlich bedarf es Filme wie „Arlit“, so merkte ein Vertreter des eed an, die den Film kofinanziert haben, um überhaupt zeitgenössische Eindrücke dieses verlorenen Kontinents bekommen zu können. Der alte Issa, jener Mann dem dieser Film gewidmet ist und mit dem Mora-Kpai nach Arlit zurückkehrte, ist zwei Wochen nach Beendigung der Dreharbeiten an Lungenkrebs gestorben.

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