Melinda and Melinda von Woody Allen

Weltpremiere

Regisseur: Woody Allen * Drehbuch: Woody Allen * Kamera: Vilmos Zsigmond * Darsteller: Radha Mitchell, Chiwetel Ejiofor, Will Ferrell, Jonny Lee Miller, Radha Mitchell, Amanda Peet, Chloe Sevigny

melinda_movie.jpg


Vier Freunde im Restaurant. Die Diskussion: was ist der Kern unseres Lebens, das Drama oder die Komödie. Folge der Diskussion: ein Gedankenspiel. Zwei der Freunde entwerfen jeweils eine Geschichte. Beide Geschichten haben dieselbe Ausgangssituation und dieselbe Hauptfigur: Melinda.
Melinda, seelisch fragil und mit einer tragischen Vorgeschichte, platzt unverhofft in ein Abendessen unter Freunden. Ihr Auftauchen ist Ende und Anfang einer Reihe von Liebesbeziehungen.
Soweit die Grundstellung. Doch während der eine Freund die Geschichte als Drama erzählt, dient sie dem anderen als Hintergrund für eine Komödie. Miteinander verwoben ergeben die Erzählstränge: "Melinda and Melinda".

Die eine Melinda: alkohol- und tablettenabhängig, labil und durch die Aussenwelt fremdbestimmt.
Die andere Melinda: aufgeschlossen und lebenslustig. Aus den Gelegenheiten, die sich ihr
bieten, macht sie das Beste.
Der Dualität Melindas entsprechen auch andere Charaktere und Gefühlszustände:
dramatisch: ein "trinkender" Schauspieler, der anderen die Schuld für sein Scheitern gibt.
komisch: ein arbeitsloser Schauspieler, der mit Frauenschürze in der Küche die Gäste seiner erfolgreichen Ehefrau bekocht und der seine im Übermaß vorhandene freie Zeit dazu nutzt, im Pferderennen sein Glück zu finden.
dramatisch: eine Liebe begründet auf Seelenverwandschaft, die den Schatten des dramatischen Hintergrunds nicht entkommen kann.
komisch: eine Liebe, die ihrem Glück entgegen stolpert und die trotz oder gerade wegen des Ungeschicks der Verliebten nicht unterzukriegen ist.
Am Ende bleiben die Fragen: Sind Drama und Komödie nur zwei Sichtweisen auf ein Leben? Haben wir eine Wahlmöglichkeit? Entscheidet unser Blick das Genre unseres Lebens? Oder sind nicht die Umstände, die wahren Dramaturgen?
Am Ende bleiben aber auch Fragen an Woody Allens neuen Film: Funktioniert die Verwebung von Drama und Komödie als zwei Varianten einer Geschichte? Aus meiner Sicht, bedingt.
Das Drama braucht eine behutsame Entwicklung von Charaktere und Situationen, um Freiraum für die Anteilnahme der Zuschauer zu schaffen. Anders die Komödie: über einen Witz können wir sofort lachen. Die Komödie in "Melinda and Melinda" profitiert mehr vom dramaturgischen Erzählstrang als umgekehrt. Wenn der Film zur Komödie wechselt, ist man eher erleichtert. Die Komödie hat dann leichtes Spiel. Dem Drama wird dagegen durch diese Unterbrechungen eher Essenz genommen. Man stelle sich vor, in einem Film von Mike Leigh oder Ken Loach werden regelmässig Ausschnitte aus Austin Powers eingearbeitet.
Eine andere Frage: Kann Melinda Darstellerin Radha Mitchell, die als einzige in beiden Parts spielt, ihre Aufgabe als Mittlerin erfüllen?
Gleichfalls: bedingt. Der Schauspielerin gelingt der dramatische Part nicht immer. Oft fehlen die Nuancen, die die Darstellung einer gestrauchelten Seele glaubwürdig machen.
Und dennoch: "Melinda und Melinda" hat wunderschöne Szenen, in denen wir unsere verrückten Gefühlswelten wiedererkennen, und inspiriert als mutiges Gedankenexperiment. (cw)

Impressum