Letter from an unknown woman von Xu Jinglei

Regie: Xu Jinglei * Drehbuch: Xu Jinglei * Kamera: Mark Lee Ping Bin * Darsteller: Xu Jinglei, Jiang Wen, Lin Yuan, Sun Feihu

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Morgen zieht sie mit ihrer Mutter in eine andere Stadt. Sie hat ihm nie etwas gesagt. Es ist Nacht. Sie vergewissert sich, dass ihre Mutter schläft. Lautlos schlüpft sie in ihre Schuhe. Sie geht über den Innenhof zum Haus gegenüber. Sein Haus. Sie klopft. Niemand öffnet. Verloren steht sie da. Geht nach links und dann nach rechts. Kauert sich schliesslich in eine Ecke und wartet. Es müssen Stunden sein. Die Kälte der Winternacht wird spürbar. Dann kommt er. Angetrunken. Mit einer anderen Frau. Das Mädchen wird nicht gesehen, bleibt unerkannt.


Ihre Liebe übersteht Jahre. Sie kehrt als Frau nach Peking zurück. Sie treffen sich wieder, er erkennt sie nicht. Sie lieben sich. Für eine kurze Zeit. Dann verschwindet ihr Gesicht wieder aus dem Gedächtnis und dem Herz des Mannes.


Unbekannt ist der Absender des Briefes, den der Mann zu seinem Geburtstag bekommt. Erst aus dem Brief erfährt er, dass er vorbeigelebt hat an einer Geschichte, in der er die wichtigste Figur war. Doch da ist die Geschichte bereits nah an ihrem Ende und der Film beginnt.


Die Regisseurin und Schauspielerin Xu Jinglei hat die berühmte Kurzgeschichte Stefan Zweigs in das Peking der 50er Jahre verlegt. In diesem Milieu, in dem der Stolz des "Gesicht wahren" zu den wichtigsten Prinzipien gehört, gewinnt die Verlorenheit und Unerfülltheit der Liebe an Kraft und Präsenz. Die Stimme der Frau, die aus dem Off ihre Geschichte erzählt, spricht leise, ja sie flüstert fast, als trage sie einen zerbrechlichen Schatz.

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Xu Jinglei spielt die Frau, mit kleinen Gesten und reduzierter Mimik, Jiang Wen die Rolle des ahnungslosen, den süssen Dingen des Lebens zugewandten Mannes. Zusammen mit der Ästhetik des Kameramanns Mark Lee PingBin ("In the Mood for Love"), der Musik von Kubota Osamu und Lin Hai sowie Art Director Cao JiuPing ("Rotes Kornfeld", "Die Geschichte der Qiu Jiu") lassen sie eine dichte Atmosphäre entstehen, deren Intensität sich der Zuschauer nur schwer entziehen kann. (at)

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