PAUL BOWLES: THE CAGE DOORE IS WIDE OPEN von Daniel Young

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Gähn! 18 Jahre hat Daniel Young für diesen Film gebraucht. Der Weg bis zur Volljährigkeit hat PAUL BOWLES: THE CAGE DOOR IS ALWAYS OPEN nichts genutzt. Konventionell und brav chronologisch arbeitet der Film sich Punkt für Punkt entlang des des Lebens von Pauls Bowles. Er lässt Zeitzeugen, Freunde und Begleiter auftreten und Sätze sagen, die sie so schon in zig Dokumentationen über die 30er Jahre in NY, die 40er in Paris, die Beats, die Hippies, William Burroughs, die Homosexuellen Bewegung, die amerikanische Literatur der 50er und 60er, Jane Bowels und all die Kifferpoeten Biopics und Tanger Stadtportraits gesagt haben dürften. Alles zig Mal gesehen und gehört und gelesen, wer sich für amerikanische (Exilanten)Literatur Mitte des letzten Jahrhunderts interessiert. Und im Vergleich schon zig mal kreativer, versierter und kritischer gesehen und gelesen, wer Bowles war und warum.
Was das Panorama bei der Auswahl dieses Films geritten hat, ist ein Rätsel. Vielleicht trübt der Wunsch, möglichst viele Filme, die irgendwie mit Homosexualität zu tun haben in der Sektion zu zeigen, auch manchmal den kritischen Blick.

Gut, es gelang dem Regisseur eines der letzten Interviews mit Bowles zu führen, bevor er 1999 starb. Aber was er da, ein Greis im Bett mit Atemproblemen, erzählt, das hat er so schon unzähligen anderen erzählt. Dem Regisseur scheint nicht eine einzige gewitzte oder hintersinnige oder kritische Frage eingefallen zu sein. Das Gespräch hätte auch Markus Lanz führen können.

Neben dem Meister selbst werden Soundbites und Talking Heads von Professoren für Literatur über John Waters bis zum „Jabba mit Pudel“ Gore Vidal und den einen oder anderen Marokkaner hineingeschnitten, die dann ihre Meinung sagen, wie er denn nun war, dieser Paul Bowles: Autor, Komponist, Ethnograph marokkanischer Musik und mündlicher Erzählungen, diese Schwule in einem arabischen Land, Dandy und Charismatiker, der eines der einflussreichsten Bücher der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts schrieb: The Sheltering Sky (Der Himmel über der Wüste).
Der Regisseur erzählt zwischen den Soundbites all dieser alten Männer und Frauen aus dem Off über dies und das, vermischt Wertungen, Fakten, Meinungen und Banalitäten, während auf der Leinwand hübsche Graphiken und Animationen laufen - Erkenntnisgewinn: Null.

Ich liebe das Kino und das eigenwillige Künstlerleben des Ehepaars Bowles ist natürlicher Filmstoff. Es gibt auch keinen Zweifel, dass Bowles ein manchmal unterschätzter, großartiger Musiker und Autor war, der für seine Wahlheimat Marokko Einmaliges geleistet hat, indem er uralte Geschichten aufschrieb und hunderte Stunden traditioneller Musiker aus allen Regionen aufzeichnete.
Aber statt dieser aufgeblasenen und langweiligen Fernsehdoku sollte der neugierige Novize lieber eines der Bowles Bücher lesen, dazu vielleicht aus dem Netz eines seiner Piano Stücke hören und parallel entweder in seiner Biografie blättern oder einen dieser Filme sehen.

Kommentare ( 1 )

„Na ja, also ich habe keine Ahnung wie man einen Dokumentarfilm macht “, sagt Regisseur Daniel Young nach der Vorstellung seines Films im Panorama. Das merkt man, könnte man sagen, wollte man böse sein. Denn sonderlich innovativ oder erzählerisch stark kommt sein Film über Paul Bowles, der als einer der prominentesten Literaten der „Beat-Generation“ gilt, nicht daher. Überhaupt, gibt es nicht schon genug Filme zum Thema?

Hervorgegangen ist der Film aus einem der letzten Interviews, das Regisseur Daniel Young und seine Mitstreiter 1998 in Tanger führten. Dort lebte noch immer der greise Bowles, viele Jahre nachdem er 1948 Tanger zu seinem Lebensmittelpunkt machte, jenes legendäre, verrucht-mondäne Zentrum der 60er Jahre Expat-Intellektuellen-Bohème. So scheint der Film eher zufällig entstanden zu sein: Ein Fan schickt seinem Teenageridole ein Fax und bittet um ein Interview.

Um die Ausschnitte des Interviews – insgesamt vielleicht zehn Minuten von nur ca. drei Stunden Material – wird ein Dokumentarfilm gebastelt. Und zwar ein sehr konventioneller. Neben Bowles werden noch ein paar Zeitgenossen interviewt, und ein paar (vermeintliche) Expertinnen, dazu kommen noch ein paar obligatorische, aber ebenfalls nicht sonderlich originelle Animationen. Mehr oder weniger blass nacherzählt wird die gescheiterte Ehe Bowles’ mit seiner genialischen Frau Jane, die selbst schriftstellerischen Ruhm erlangt und deren drogengeschwängerte sexuelle Sinnsuche in Tanger in einem US-Heim für psychisch Kranke endet.

Negativer Höhepunkt der schwadronierenden „Zeitzeugen“ im Film ist ein äußerlich erschreckend Ariel Sharon ähnlich gewordener Gore Vidal, der kurz vor seinem Tod noch mal über die Beatniks herziehen will. Spannend wird es eigentlich nur dann, wenn Bowles selbst zu Wort kommt. Grandios, wie der 88-jährige im Schlafanzug in seinem Bett liegt und mit der Abgeklärtheit der letzten Tage auf das Leben zurückblickt. Glaubt er an ein Leben nach dem Tod? Nein. Seelenwanderung? Nein. Was glaubt er über das Universum? Was soll dass denn für eine bescheuerte Frage sein?

Deutlich wird zumindest, was für eine Ausnahmegestalt Paul Bowles war; eine Ausnahmegestalt auch unter den Beats, mit denen er sich selbst wohl nie wirklich identifizieren konnte. Als die Bewegung längst verklungen war und die Protagonisten entweder tot oder bürgerlich geworden, lebte Bowles immer noch in Tanger und dokumentierte dort abseits des öffentlichen Interesses marokkanische Folk-Musik.
Bowles war den meisten Beat-Literaten an Talent wahrscheinlich weit überlegen. Er war auch ein fantastischer Komponist klassisch moderner Musik, seine Klavierminiaturen lobte sogar Leonard Bernstein. Das Genie Bowles wäre von diesem Film wohl wenig beeindruckt gewesen.

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Titel

Orignaltitel

Paul Bowles: The Cage Door is Always Open

Credits

Regisseur

Daniel Young

Schauspieler

Bernardo Bertolucci

Paul Bowles

Ira Cohen

Gore Vidal

John Waters

Land

Flagge SchweizSchweiz

Jahr

2012

Dauer

87 min.

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